Dialog mit Beschimpfungen in Pjöngjang

Nordkoreas Regime will irgendwie schon mit Südkorea sprechen, auch wenn es sich immer wieder gegenteilig verhält

PJÖNJANG/PEKING taz ■ Nordkoreas undurchschaubares Regime hat gestern widersprüchliche Signale ausgesendet: Der südkoreanische Sondergesandte Lim Dong-won, der am Mittwoch zu dreitägigen Gesprächen nach Pjöngjang gereist war, musste sich wie schon am Vortag heftige Beschimpfungen seiner Gastgeber anhören. Sie warfen Südkorea und seinen US-Verbündeten „Kriegstreiberei“ vor. Pjöngjang beschuldigte Seoul und Washington, das 37.000 Soldaten im Süden stationiert hat, in Nordkorea einmarschieren zu wollen.

Gleichzeitig bestätigte die amtliche Nachrichtenagentur KCNA die Bereitschaft des Nordens, den Diaolog mit Washington wieder aufzunehmen, der seit Amtsantritt von US-Präsident George W. Bush unterbrochen ist. Dabei soll es um die Zukunft der zwei noch unter Bill Clinton geplanten Leichtwasserreaktoren für Nordkorea gehen, die von einem internationalen Konsortium gebaut werden. Das 4,6-Milliarden-Dollar-Projekt wurde 1994 vereinbart. Damals verpflichtete sich Nordkorea, sein Atomwaffenprogramm einzufrieren. Im Gegenzug sollten bis 2003 die Reaktoren errichtet werden. Der Bau hat allerdings zum Ärger der Nordkoreaner bis heute nicht begonnen.

Die harte Haltung der Bush-Regierung gegenüber Nordkorea, das der US-Präsident wiederholt als Teil der „Achse des Bösen“ bezeichnete, wirkte sich auch auf die „Sonnenscheinpolitik“ von Südkoreas Präsident Kim Dae-jung aus. Der hatte im Juni 2000 als erster Staatsführer Südkoreas seit Ende des Koreakrieges 1953 den streng abgeschotteten Norden besucht.

Für die Südkoreaner, die gestern erstmals seit zwei Jahren wieder mit ihren kommunistischen Landsleuten zusammentrafen, kamen Pjöngjangs scharfe Vorwürfe nicht überraschend: Sie gehören zum Standardrepertoire des Regimes vom „lieben Führer“ Kim Jong-il. Gleichwohl gehen die Südkoreaner davon aus, dass Pjöngjang ein starkes Interesse hat, die Kontakte wiederzubeleben. Denn Seoul weiß, dass sich Diktator Kim Jong-il seit dem 11. September noch stärker von den USA bedroht fühlt, seit diese Nordkorea zu einem ihrer Hauptgegner im Kampf gegen den Terrorismus erkoren haben. Doch die dramatische Wirtschaftslage zwingt das Regime zur Öffnung. In den vergangenen Monaten nahm Nordkorea zu mehreren Ländern, darunter auch Deutschland, diplomatische Beziehungen auf. Hochrangige nordkoreanische Delegationen informieren sich mittlerweile in Asien und Europa, wie westliche Banken, Verwaltungen und Unternehmen funktionieren.

Nordkoreas bizarrer Führer hat offenbar erkannt, dass harte Abgrenzung gegenüber dem Süden keine Vorteile bringt. Je mehr er sich abschottet und schimpft, desto unhaltbarer wird die Position des südkoreanischen Präsidenten, der im Namen seiner „Sonnenschein“-Politik Getreide und andere Hilfsgüter in den undankbaren Norden verschifft. Ende des Jahres wählt Südkorea eine neue Regierung, die vermutlich nicht mehr so großzügig die im Norden darbenden Landsleute unterstützt.

Um Friedensnobelpreisträger Kim Dae-jung Gesicht zu geben, müsste der „liebe Führer“ aber wenigstens einige seiner Versprechen erfüllen. So wurde der Bau einer Eisenbahnlinie bis zur Demarkationslinie nie angefangen, die Begegnung getrennter Familien nach wenigen Treffen gestoppt. Auch wenn der nördliche Kim nun wieder zu Gesprächen mit dem Süden bereit ist, glaubt von den westlichen Diplomaten in Pjöngjang niemand an grundlegende wirtschaftliche oder gar politische Reformen. Vielmehr wird der Kult um den verstorbenen „großen Führer“ Kim Il-sung und seinen Sohn immer bedrückender. Die Änderungen im Wirtschaftssystem wie Bauernmärkte sind nur Kosmetik. JUTTA LIETSCH