Nachgehakt: Keine Angst vor Sekten
■ Henning Scherf empfing den Chef der Neuapostolischen Kirche im Rathaus
180 Jugendliche haben am Samstag im Bremer Rathaus ein kleines Chorkonzert gegeben. Eigentlich nichts Besonderes – wenn es nicht Jugendliche der „Neuen Apostolischen Kirche“ (NAK) gewesen wären. Die NAK mit ihren rund 400.000 Mitgliedern ist nach Katholen, Evangelen und Muslims immerhin die viertgrößte Religionsgemeinschaft im Land. Sie erzieht ihren Nachwuchs streng und fromm – da können musikferne Zeitgeist-Strömungen kaum Einfluss nehmen.
Bürgermeister Henning Scherf gab die Neuapostolen einen offiziellen Empfang, Richard Fehr, Chef und oberster „Stammapostel“ der weltweit 10 Millionen Gläubigen, war eigens aus Zürich dafür angereist, denn so viel offizielle Anerkennung ist in Deutschland außergewöhnlich.
„Sekte“ schallt es Rechercheuren jedoch entgegen, wenn man im Internet nach Information über die NAK sucht. Dabei sind sich die christlichen Staatskirchen nicht einig, ob dieser Kampfbegriff anzuwenden ist. Denn die Neuapostolen haben nie Menschen als „Ketzer“ verbrannt – und sie segnen keine Waffen. Dass sie ihre „Stammapostel“ für authentische Verkündiger von Gottes Wort halten, kann ihnen der Papst kaum zum (Sekten-)Vorwurf machen. Auch nicht die Tatsache, dass sie sich als die einzige (übersetzt also „katholische“) und wahre Kirche Jesu Christi empfinden und ihren Gottesdienst nach einem strengen Ritus feiern.
„Wir haben hier im Rathaus einen Internetspezialisten, der ist bei der Neuapostolischen Kirche“, sagt Helmut Hafner, Kirchenreferent und Mitarbeiter Scherfs, „ein sehr entgegenkommender Kollege“. So entstand die Idee zu dem Senatsempfang. Auch in der oftmals in sich abgeschlossenen Religionsgemeinschaft gebe es inzwischen Tendenzen zur Öffnung, „das wollte Scherf unterstützen.“
So will die NAK mitmachen, wenn demnächst auf Initiative der „Nacht der Jugend“ ein Bremer „Stadtplan der Religionen“ erstellt wird – eine an sich sehr ökumenische Angelegenheit. Scherf hat den „Stammapostel“ gleich eingeladen, bei der Idee eines „Ökumenischen Kirchentages“ mitzumachen. „Das sind neue Schritte hin zu einem Dialog“, freut sich Hafner.
Bei so viel Freude an Dialog und Aufeinander-Zugehen bleibt nur eine Frage: Warum hat Scherf dann die weltoffenen, modernen jungen Handwerker ohne Meisterbrief („Böhnhasen“), die diese Woche zum Senatsempfang eingeladen und versammelt waren, so schnöde sitzen lassen (siehe taz vom 5.4.)? Hatte der Bürgermeister ernsthaft Schiss vor der Handwerkskammer? „Das würde gar nicht zu ihm passen“, ist Hafner sicher: „Ich verstehe das auch nicht.“ K.W.
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