montagsmaler Libe Mama ich hofe das es dir gut get
: Kinderzimmer Prod.

Ich habe so ein Kind. Summa summarum kann ich das unterm Strich nur weiterempfehlen – man darf halt nur nicht allzu oft allzu genau über den Strich kucken. Als Grenzerfahrungsfanatiker und Eventaufspüring-Veteran lohnt es sich allemal.

Oder würde man sonst das Theaterstück „Sterntaler – eine Parabel von Geben und Nehmen“ in der Naunynritze zu sehen bekommen? Wüsste man sonst, dass die Ausrichtung eines Kindergeburtstages einen höheren Tribut fordert als eine durchgezeche Nacht? Besäße man sonst so viele irre Aschenbecher und sonstige Tongefässe oder interessante Briefe wie: „Libe Mama ich hofe das es dir gut get viele grüse kaka muschi pimel furz“?

Das hätte doch ein vom Tourette Syndrom Befallener nicht besser hingekriegt, und auch Schlingensief dürfte aufhorchen. Und hätte ich sonst jemals erfahren, dass mein existentialistischer Bekannter, den ich bislang nur bei drogenexzessiven Anlässen getroffen hatte, vier Kinder hat?

Beinahe hätte ich ihm ein böses Doppelleben unterstellt. Aber dann sagte er: „Meine Kinder mögen nun mal keine anderen Kinder. Und deshalb gehen wir nur auf den Spielplatz, wenn es regnet oder dunkel ist.“ Das beruhigte mich wieder.

Mein Kind mag zwar andere Kinder, aber ich hasse Spielplätze. Diese umzäunten Territorien, bei denen die Großen im Kreise hocken und dumpf auf ihre Brut glotzen in der hämischen Freude, dass diese sich in der Manege kloppen, bis sie müde sind und ins Bett gesteckt werden können – sie haben einen Horror an sich, der noch nicht einmal subtil ist und der die Großen dazu bringt, sich kennenlernen zu wollen: „Welches ist deins?“, raunt eine zum Kotzen weiche Stimme neben dir, und: „Morgen ist eine total schöne Kinderandacht in der Sankt-Martins-Kirche. Natürlich ohne Jesus und so.“

Dann geht man nach Hause und hört, während man das Abendessen zubereitet, nebenbei die Cassetten mit, die das Kind so liebt: Man lernt Pippi Langstrumpf, die alte Spaßtyrannin, und die ganzen Kinder von Bullerbü mit ihrer debilen Heiterkeit neu hassen und wundert sich darüber, wie das Kind die coolen drei ??? auch cool findet, die TKKG Bande aber auf die gleiche Stufe stellt – was bist du eigentlich für ein Mensch? möchte man ausrufen, während die Nudeln lustig sprudeln.

Überhaupt: Spielzeug. Man weiß es ja noch, man hat auch sinnlos rumgespielt. Trotzdem möchte man verzweifeln angesichts dieser Zeitverschwendung.

Aber da gibt es dann Freunde, die einen am Wochenende besuchen, bevor sie richtig ausgehen, und die bauen Brücken, während sie den neuesten Scheiß erzählen, und ordnen die Autos, die rumliegen, liebevoll zu einer Stausituation. Sie hängen am Gameboy-Verschnitt „Formula 1“ und finden dessen Billigsound so heiß, dass sie ihn auf ihrer nächsten Platte mit draufhaben wollen. Sie greifen nach den „battle cars“ von Lego Technic, sie liefern sich Duelle mit diesen merkwürdigen käferartigen Gefährten mit einem schwingbaren Arm, manchmal so enthusiastisch, dass sie die Zeit vergessen oder ihren nächsten Programmpunkt freiwillig schwänzen.

Manche künstlerisch Begabte fangen auch noch an, aus Papier hippe Männchen zu basteln und da reinzusetzen, und das scheint dann ganz dem Motto auf der Schachtel „just imagine … Be part of the LEGO community“ zu entsprechen. Wenn das Kind noch wach ist, steige ich in seiner Achtung.

Natürlich gibt es auch Schattenseiten. Zeiten der Selbstzweifel an pädagogischer Menschenführung. Oder ist es etwa in Ordnung, wenn das Kind einem in der Wut immer „Du fette Oma!“ entgegenschleudert?

ALMUT KLOTZ