Der Ofen ist noch warm

Unermüdliche Tourneen, schmalztriefende Balladen und romantische Partyknaller galore: Nikolai Tomás hat seine Band Poems for Laila reaktiviert. Ein Rückumzug ins geliebte Kreuzberg vervollständigt die Selbstneuerfindung

Manchmal überprüft Nikolai Tomás sein Vermächtnis. Dann geht er zu Saturn oder zu WOM und sucht nach seinem Fach. Und tatsächlich: Meistens stößt er, irgendwo zwischen Pixies und Pogues auf seinen Nachlass, der unter Poems for Laila firmiert. „Ein eigenes Fach“, lacht er, „ist wohl das Größte, was man als Musiker erreichen kann.“

Zu den Größten gehörten Poems for Laila selbst zu ihren Glanzzeiten in den Achtzigerjahren nicht. Umso überraschender, dass sie immer noch einen festen Platz einnehmen im öffentlichen Bewusstsein oder zumindest in dem von Musikalienhändlern. Das war einer der Gründe, so Sänger und Gitarrist Tomás, seiner neu formierten Band den alten Namen zu geben, obwohl der sechs Jahre auf Eis gelegen hatte: „Klar schielt das auf das alte Publikum. Warum nicht, wenn man die Möglichkeit hat?“

„On A Wednesday“ heißt das erste Album dieser zweiten Inkarnation der Band, die sich in den Jahren vor dem Mauerfall mit unermüdlichen Tourneen, schmalztriefenden Balladen und Partyknallern im Polka-Rhythmus eine zwar nicht übermäßig große, aber doch zumindest über die Maßen treue Gefolgschaft erspielt hatte, die ihre Heroen schon mal liebevoll „die Pommes“ nannte.

So gesehen ist das Beibehalten des Namens nur konsequent, denn Poems for Laila klingen weiter eindeutig nach Poems for Laila. Tomás weiß, warum: „Ich und meine Stimme, das war es, was die Poems ausmachte.“ Zudem hatten der mittlerweile 36-jährige Tomás und seine Stimme kein großes Glück bei allen Versuchen, das alte Image abzuschütteln.

Nachdem er die Poems zur Ruhe gesetzt hatte, veröffentlichte er ein erstes Soloalbum. „Wild On“ dokumentierte vor allem, dass Tomás wenige Jahre zuvor den Computer als musikalichen Partner entdeckt hatte. Das anschließende Projekt Radiotron experimentierte ebenfalls mit elektronischer Klangerzeugung, brachte ein Album heraus und tourte durch Clubs, in die, so Tomás, „ich nie privat reingegangen wäre“.

Während er den größten Teil seines Geldes längst mit Soundtracks für TV-Dokumentation verdiente, liefen Radiotron, beschreibt er es etwas euphemistisch, „nicht so gut“ und das war „sehr frustrierend“. Als Scheitern will Tomás den Ausflug in die Clubszene trotzdem nicht interpretiert wissen, eher als „wichtige Erfahrung“.

Diese Erfahrung hat ihn dann wohl gelehrt, dass man das machen sollte, was man am besten kann. Das Layout für seine Lieder entsteht zwar heute immer noch teilweise am Rechner, aber was Tomás besonders gut kann, sind Liebeslieder mit einem Überschuss an Romantik, die im Übungsraum in klassischer Band-Besetzung ohne Rücksicht auf Schmalz- und Tränendrüsen umgesetzt werden. Verschwunden sind allerdings die osteuropäischen Folklore-Einflüsse, mit denen die Poems seinerzeit geradezu politische Pionierarbeit leisteten.

Auch eine weitere alte Poems-Tradition lässt Tomás wieder aufleben. Scheinbar unverzichtbar scheint für ihn ein weiblicher Ansprechpartner auf der Bühne. Diesmal dient das ehemalige Lemonbaby Julia Gehrmann, die das Schlagzeugspielen aufgegeben hat und sich hier mit platinblond gefärbten Haaren Julia Goldlust nennt, als Background-Sängerin und Duettpartnerin.

Auf „On A Wednesday“ singen die beiden vom Abschiednehmen, von unsympathischen Amerikanern und natürlich vor allem immer wieder von der Liebe. Dabei korrespondiert Gehrmanns glockenklares Organ perfekt mit dem dunklen, aber auch leicht kitschigen Timbre von Tomás. Der weiß selber, dass seine Stimme mitunter nach Schlager klingt, und erklärt damit, warum seine wenigen Versuche auf Deutsch zum Scheitern verdammt waren.

Die ehemaligen Weggefährten Element of Crime dagegen wechselten in den Achtzigerjahren die Singsprache und bauten darauf einen stetig wachsenden und soliden Erfolg. „Ich hätte nichts anders gemacht“, sagt Tomás retrospektiv, „weil ich nichts hätte anders machen können. Uns fehlte nur ein Hit.“ So blieben Poems for Laila bis in die Neunzigerjahre hinein eine ausschließlich live erfolgreiche Band. Und das Live-Potenzial scheint weiter vorhanden zu sein. Mit einer achttägigen Tournee wurde getestet, ob sich das Publikum noch an Poems for Laila erinnert. Es erinnert sich. Selbst in Bonn kamen 600. „Es war überall brechend voll“, staunt Tomás, „und es kamen nicht nur 30- und 40-Jährige.“

So treu wie sein Publikum ist auch Tomás selbst. Seine Managerin ist immer noch die alte, und zu vielen, die jemals bei den Poems spielten, hat Tomás heute noch Kontakt, auch wenn aus der Originalbesetzung heute keiner mehr dabei ist, Tomás zieht dieser Tage nach zwei Jahren in Prenzlauer Berg, wo er nie richtig heimisch wurde, wieder zurück ins altgediente Westberlin, ins geliebte Kreuzberg. Auch dort wartet wieder eine Ofenheizung. „Ich hab mein ganzes Leben noch nicht mit Zentralheizung gewohnt“, lächelt er. Immerhin die Kohlen lässt er sich mittlerweile anliefern. THOMAS WINKLER

Poems for Laila: „On A Wednesday“ (Vielklang/EFA)