: Keine Angst vor dem Islam
Auf der Suche nach der Moderne: Fatima Mernissi veranschaulicht anhand des Golfkriegs Innenleben und Identitätskrisen islamischer Länder. Eine Rezension
Das kürzlich neu aufgelegte Buch „Islam und Demokratie“ von Fatima Mernissi gehört zu jener Gattung, die sich der Angst vor dem Islam widmen. Weil wir aber mehr mit unseren eigenen Ängsten bezüglich des Islam beschäftigt sind und fast nichts über die tief sitzenden Ängste der muslimischen Welt vor dem Westen wissen, schließt dieses Buch ein wichtige Lücke in unserer Wahrnehmung.
In 12 Kapiteln beschreibt Mernissi die verworrene und paradoxe Suche der arabischen Welt nach einer islamischen Identität in der Moderne. Kritisch zeigt sie die neuralgischen Punkte der islamischen Länder hinsichtlich ihrer Identität auf und gibt einen Einblick, warum die arabische Welt ihre Jugendlichen vernachlässigt, mehr Gelder für die Rüstung ausgibt als der Westen und was einer tatsächlichen Öffnung für demokratische Prozesse in diesen Ländern im Wege steht.
Die Soziologin macht deutlich, dass sich die Realitäten der muslimischen Welt verändert haben und dass der Westen seine Ängste gegenüber dem Islam nur ablegen kann, wenn er anstelle von Despoten den humanistischen Islam unterstützt. Ein Buch, das gerade nach dem 11. September zu einem besseren Islam-Verständnis beiträgt. Warum allerdings mit keinem Wort erwähnt wird, dass es sich hier um eine aktualisierte, leicht gekürzte Auflage des bereits 1992 bei dtv erschienenen Buchs „Die Angst vor der Moderne“ handelt, ist unverständlich.
Auch wenn die Verwendung des Begriffs „Islamismus“ im Buchumschlag dem eigentlichen Ziel, nämlich der Aufklärung, zuwiderläuft und die Quelle der aktuellen Zahlen nicht genannt wird: Mernissis Beschreibungen, die eigentlich dem zweiten Golfkrieg gewidmet sind, greifen auch heute noch und machen den Konflikt zwischen Islam und Demokratie besser verstehbar. SEMIRAN KAYA
Fatima Mernissi: „Islam und Demokratie – Die Angst vor der Moderne“. Herder Verlag 2002, 254 Seiten, 19,90 €
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