Gerhard Schröders Musterschüler

Der Kanzler wünscht sich einen moderaten Tarifabschluss. Den könnte ihm der IG-Chemie-Chef Schmoldt liefern

Er gilt als politischer Pragmatiker, als Musterknabe am Verhandlungstisch des „Bündnisses für Arbeit“, als einflussreicher Gewerkschafter, als Freund des Bundeskanzlers und als heißer Anwärter auf einen Ministerposten im nächsten Schröder-Kabinett. Mit seinen Businessanzügen und seinen dezenten Krawatten ist er aber eher der Prototyp eines Wirtschaftsmanagers: Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

In seinem Job ist der 57-Jährige sehr erfolgreich: Bei den Tarifverhandlungen vor zwei Jahren hat er mit einem moderaten Tarifabschluss der Chemiearbeitnehmer der IG Metall die Tarifführerschaft abgenommen. Dafür erntete er vom Kanzler großes Lob. Und auch bei den laufenden Tarifverhandlungen könnte sich Schmoldt profilieren und sich Kanzlers Wohlgefallen sichern: Der fürchtet nämlich einen Arbeitskampf, der ihn im Wahljahr Stimmen kosten könnte, und wünscht sich deshalb einen „schnellen Abschluss ohne Streik“.

Ganz egal scheinen Schmoldt die Kanzlerwünsche nicht zu sein. Wenn es keine Einigung mit den Arbeitgebern gebe, sei seine Gewerkschaft zwar „streikfähig und streikbereit“, betont er. Ein „tragfähigen Abschluss“ könnte nach IG-Chemie-Angaben aber schon Mitte des Monats möglich sein. In die Wahlkampfauseinandersetzungen will sich Schmoldt aber auf keinen Fall hineinziehen lassen und betont – trotz seiner SPD-Mitgliedschaft – immer wieder seine politische Unabhängigkeit: „Natürlich finden Tarifverhandlungen nicht im luftleeren Raum statt, es wäre jedoch ein gravierender Fehler, Tarifpolitik von Wahlterminen abhängig zu machen. Würde man dies tun, so wäre das der Anfang vom Ende der Tarifautonomie“, sagte Schmoldt gegenüber der taz.

Unabhängigkeit hin oder her: Wahlkampf für Schröder macht er doch – indirekt. So distanzierte er sich von Edmund Stoiber: „Der Kanzlerkandidat der Union hat in seinen bisherigen Äußerungen eine Position vertreten, die wir mit Sicherheit nicht teilen.“ Auch in öffentlichen Diskussionen stellt er sich immer wieder auf die Seite des Bundeskanzlers. Erst vor einigen Tagen warnte Schmoldt seine Gewerkschaftskollegen vor „undifferenzierten und teilweise unbegündeten Vorwürfen“ gegen die rot-grüne Bundesregierung. Wegen seiner Schröder-freundlichen Haltung wird auch immer über einen Wechsel Schmoldts in die Politik spekuliert. Erst kürzlich war er als Nachfolger von Bernhard Jagoda in der Bundesanstalt für Arbeit im Gespräch.

Im Allgemeinen gilt Schmoldt als Anhänger eines konsensorientierten Dialogs. Seit er 1995 die Führung der Gewerkschaft übernahm, warb er immer wieder für die „Kanzlerrunden“ mit Helmut Kohl und das „Bündnis für Arbeit“ mit Gerhard Schröder. In seiner Branche spielt Hubertus Schmoldt gelegentlich den Vorreiter und sorgt deshalb für Aufruhr: Nach seiner erfolgreichen Wiederwahl als Vorstand der IG BCE im Oktober 2001 (97,3 Prozent der Stimmen) überraschte er mit dem Vorschlag, den Vorsitz des DGB in Zukunft abwechselnd mit einem der Chefs der acht Mitgliedergewerkschaften zu besetzen. Und bei den laufenden Tarifverhandlungen sieht es momentan so aus, als ob Schmoldt wieder eine Vorreiterrolle übernehmen und Schröder so seinen Wunsch nach einem schnellen Abschluss erfüllen wird. ANGELIKA HENSOLT