„Stimmzettel sehen sehr gleich aus“

Im oberbayrischen Dachau wurde offenbar bei der Kommunalwahl im großen Stil gefälscht – zu Gunsten der CSU. Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen unbekannt. Deren Ergebnisse werden zur Annullierung abgewartet

DACHAU taz ■ „Ich habe mir nicht vorstellen können, das so etwas passieren kann.“ Die Dachauer Rathausvizechefin, Katharina Ernst, kann immer noch nicht glauben, dass jemand im großen Stil die Kommunalwahlen in der 38.000-Einwohner Stadt in Oberbayern gefälscht hat. Bis heute weigert sich der städtische Wahlausschuss wegen der offensichtlichen Manipulationen, das Ergebnis der OB- und Stadtratswahl festzustellen.

Die Zeit drängt. Die Amtszeit des alten Stadtrats und des Oberbürgermeisters endet am Ende des Monats. „350 bis 370 Briefwahlstimmzettel für den Stadtrat sehen sehr gleich aus. Gleicher Stift, die Dreier sind ähnlich gewesen und auch das Wahlverhalten“, erklärt der Chef der Kommunalabteilung im Dachauer Landratsamt, Ferdinand Bauer, der alle 4.000 Briefwahlunterlagen überprüfen ließ.

Nach vier verschiedenen Mustern sei auf diesen Stimmzetteln gehäufelt worden, immer jedoch zu Gunsten der CSU. Nur die Christsozialen, die beide Wahlleiter stellen und beim Urnengang vor über einem Monat siegten, pochen auf das Wahlergebnis, das seit vier Jahrzehnten erstmals den Oberbürgermeisterposten bescherte. Alle anderen fordern Neuwahlen.

Denn die Stadtratsstimmzettel sind nicht das Einzige, was an der Dachauer Wahl faul ist. 3.500 Briefwahlscheine, auf denen die Bürger versichern, dass sie selbst abgestimmt haben, sind verschwunden. 404 ausgezählte OB-Stichwahl-Stimmzettel landeten im Rathausmüll, obwohl sie jahrelang aufbewahrt werden müssen. Sie wurden am Bauhof aus den Abfällen gefischt.

Längst ist der Wahlskandal ein Fall für die Münchner Staatsanwaltschaft. Sie beschlagnahmte die 350 Briefwahlstimmzettel für den Stadtrat und den Kreistag und ermittelt wegen Verdachts auf Wahlfälschung und Vernichtung von Stimmzetteln und Wahlscheinen offiziell „gegen unbekannt“. In einer Anzeige wird allerdings eine Person beschuldigt, deren Name die Staatsanwaltschaft nicht nennt. Der Vorwurf gegen sie habe sich bisher nicht erhärtet.

Mit Spekulationen über die Täter halten sich Rathausmitarbeiter und die Parteien gegenüber der Presse zurück. Der amtierende OB Kurt Piller von der Überparteilichen Bürgergemeinschaft, der mit 73 Stimmen dem CSU-Herausforderer unterlag, verbreitet aber über seinen Anwalt: „Offensichtlich gibt es Personen, die zugunsten der CSU Stimmen gesammelt haben.“ Ferdinand Bauer vom Landratsamt vermutet „Schlamperei bis Diebstahl“. Bauer teilte diese Woche der Stadt mit, wenn sie bis zum 25. April kein Wahlergebnis feststelle, werde dies das Landratsamt übernehmen, da sonst die Kommune ab 1. Mai ohne Verwaltungsspitze dastehe. Annullieren könne die Stadtrats- und OB-Wahl ohnehin nur das Landratsamt. Doch dazu werden die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet. OLIVER HINZ