Professorenrat wird teuer

Der Hochschulverband hat eine Geschäftsidee: Er vermarktet das, was Professoren ohnehin machen, für teuer Geld. 350 Euro kostet eine Studienberatung bei der Standesvertretung der Hochschullehrer

„Eine 350 Euro teure Studienberatung ist eine unglaubliche Tatsache“

von INGA SCHONLAU
und ANGELIKA HENSOLT

Studieren ja oder nein? Wenn ja, welches Fach? Ein Dschungel an Studiengängen, Studienabschlüssen und Studienmöglichkeiten machen Abiturienten die Entscheidung für das richtige Studium nicht leicht. Erste Anlaufadresse für sie ist eigentlich die Studienberatung der Hochschulen. Sparmaßnahmen aber machen eine individuelle Beratung dort immer schwieriger. Da hat der Hochschulverband (DHV) eine lukrative Geschäftsidee: Für 350 Euro erhalten Abiturienten künftig eine persönliche Beratung bei einem Professor. Unter dem Label „genius – Studienberatung“ wirbt der Hochschulverband für eine Studienberatung direkt bei einzelnen Professoren.

Neu an dem Angebot ist vor allem der Preis: Studierende und Studienanfänger zu beraten gehört nämlich eigentlich zu den vornehmsten Aufgaben eines jeden Professors – unentgeltlich, versteht sich. Für Heinz-Elmar Tenorth, Vize-Präsident für Lehre und Studium an der Berliner Humboldt-Universität, ist das kostenpflichtige Angebot deshalb „eine unglaubliche Tatsache“. Informationen zum Studium gehören für den renommierten Erziehungswissenschaftler zu den Standardaufgaben jeder Universität. Für ihn ist die Initiative des Hochschulverbandes deshalb eine „unverständliche Aktion“, 350 Euro könne man für diesen Service nicht verlangen. Die deutschen Universitäten seien von öffentlichen Mitteln finanziert. Deshalb müssten solche Dienstleistungen kostenlos bleiben. Auch auf studentischer Seite ist der Unmut über das teure Angebot groß: Christian Haberecht, Vorstandsmitglied des freien zusammenschlusses von studierendenschaften (fzs) findet „diese Geschäftemacherei des DHV einfach schamlos“.

Dabei ist der Beratungsbedarf an den deutschen Unis durchaus vorhanden, denn die Ressource Beratung ist ein knappes Gut: Im allgemeinen Sparfieber werden Tutoren und fest angestellte Studienberater gestrichen, der Schulabgänger erlebt belegte Telefonleitungen und Schlangen vor den Beratungsstellen. Von daher hat der Hochschulverband eine ökonomisch schlaue Rechnung aufgemacht: Knappe Güter sind teure Güter. Unverständlich bleibt für Haberecht trotzdem, „wie der DHV diese Problemsituation mit seiner lukrativen Geschäftsidee ausnutzen kann, statt sich um eine politische Lösung der Schwierigkeiten zu kümmern“.

Der DHV macht die wichtige Orientierungshilfe zu einem hoch bezahlten Produkt. Der Preis der einmaligen Karriereberatung kostet beinahe so viel, wie in anderen Ländern Studiengebühren für ein ganzes Semester erhoben werden.

Manchen Studenten aber dürfte das Angebot bei der verwirrenden Suche nach einem Studienplatz verlockend erscheinen: Auf der eigens eingerichteten Internetseite wirbt der Verband für ein individuelles Beratungspaket: Es gebe sachliche und umfassende Informationen aus erster Hand – abgestimmt auf die Bedürfnisse des einzelnen Ratsuchenden.

„Wenn Sie die beste Ausbildung wollen, wenn Ihnen Ihre Ausbildung etwas wert ist, wenn Ihnen an unparteiischen Informationen aus erster Hand gelegen ist, wenn Sie nach der richtigen Hochschule suchen und wenn Sie keine Zeit mit falschen oder unnützen Informationen verlieren wollen“, dann, so die Aussage auf der Homepage, „sind Sie bei genius an der richtigen Adresse.“

Der Student in spe muss nur auf der Internetseite von genius einen Fragebogen mit Alter, Studienfachwahl und Studienortwunsch ausfüllen. Der Hochschulverband recherchiert den entsprechenden Gesprächspartner aus der Professorenschaft. Studieninteressierter und Professor treffen sich anschließend zum Beratungsgespräch. Das Ganze findet in Bad Godesberg statt. Mit An- und Abreise, Spesen sowie dem Honorar kommt der Studi an einem Tag also locker über 500 Euro.

Für den genius-Projektleiter beim DHV, Ulrich Josten, liegt die Kompetenz der beratenden Professoren in ihrem Fachwissen, ihren Informationen zu Ausbildungsmöglichkeiten und zu den entsprechenden Universitäten. Heinz-Elmar Tenorth aber bezweifelt, dass „Professoren die richtigen Studienberater sind“. Er geht davon aus, dass die allgemeinen Studienberatungen, zum Beispiel durch ihre Kooperation mit den Arbeitsämtern, ein ausführlicheres Beratungsangebot bereitstellen können als ein einzelner Professor. Josten betont, dass die Studienberatung nur ansprechen solle, wer sich über die Entscheidung zu einem Studienfach bereits im Klaren sei. Fehl am Platz wären jene, die in dem Beratungsgespräch grundsätzliche Entscheidungshilfe für die Studienfachwahl suchten.

Noch ist die neue Beratung am Anfang. Etwa 30 Fragebögen sind bislang beim DHV eingegangen. Erst ein einziger Schulabgänger hat festes Interesse bekundet. Und auch die wenigsten der 18.000 Mitglieder des DHV wissen zurzeit, dass ihre politische Lobby demnächst persönlich bei ihnen anfragt – um sie für ein Beratungsgespräch zu gewinnen. Auf der genius-Homepage allerdings werden die „ausgewählten Experten“ schon angepriesen.

Wie beglückt die Kultusminister darüber sein werden, dass die Beratungskapazitäten ihrer so nachgefragten Spezies Professor nun vom Hochschulverband gegen teures Geld vermarktet werden, wird sich heute zeigen. Da stellt der Verband sein neues Modell vor.