Scheiterhaufen für Seuchentiere legal?

Europäisches Parlament untersucht britische Politik gegen Maul- und Klauenseuche. Vorwürfe gegen Bauernchef

BRÜSSEL taz ■ Das Dokument liest sich wie ein Frontbericht: 7.000 Beamte, 2.000 Tiermediziner, 2.000 Armeeangehörige bekämpften vom Februar 2001 an mehr als sechs Monate lang im Vereinigten Königreich den schlimmsten Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, „den ein bis dato MKS-freies Land weltweit je erlebt hat“. Nicht einmal im Golfkrieg, so die Regierung gegenüber dem Europaparlament, sei eine vergleichbare logistische Leistung Großbritanniens erforderlich gewesen.

Wie notwendig dieser Krieg gegen die Seuche überhaupt war, wird jetzt näher untersucht. Bereits vor einem Jahr hatte das Europäische Parlament die Politik der rauchenden Tierkadaverberge scharf verurteilt. Die „von der Europäischen Union verfolgte grundlegende Politik der Nichtimpfung“ sei „unverzüglich zu überdenken“. Die Parlamentarier drängten auf Fortschritte bei neuen Testverfahren, um in Zukunft eine Unterscheidung von geimpften und nicht geimpften Tieren zu ermöglichen. Wenn die Unterscheidung möglich sei, sei es kein Problem, das Fleisch der geimpften Tiere zu exportieren.

Im Januar schließlich setzte das Parlament gegen die Stimmen der britischen Labour-Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss durch, der bis Ende dieses Jahres klären soll, ob die Massenschlachtungen tatsächlich – wie von der britischen Regierung behauptet – nach EU-Recht unvermeidlich waren. Am Montagabend hörte der Ausschuss in Straßburg britische Regierungsvertreter, einen Abgesandten der tierärztlichen Vereinigung und den Chef der nationalen Bauerngewerkschaft, Ben Gill.

Die britische Grüne Caroline Lucas kritisierte Gill hinterher scharf: „Er hat die Bauern damals absichtlich falsch informiert, um sich ihre Unterstützung für die Massenschlachtungen zu sichern.“ Denn die Farmer hätten durchaus ihre Tiere impfen können. Dann hätten sie das Fleisch nicht mehr exportieren können. Doch für den Schaden aus dem fehlenden Export gab es Entschädigungen aus EU-Töpfen. Aber auch das habe Gill den britischen Farmern verschwiegen.

Der Ausschuss will klären, ob die Massenschlachtungen mit EU-Recht vereinbar waren. Ferner soll die Kontrolle von Fleischimporten an den EU-Außengrenzen unter die Lupe genommen werden. In Großbritannien seien sie jedenfalls nicht verstärkt worden, so Lucas. Wird die EU-Gesetzgebung nicht geändert, sind bei der nächsten Epidemie neue Massenschlachtungen programmiert. Doch bisher sind vorbeugende Impfungen nach EU-Recht verboten. Notimpfungen dürfen nur als zusätzliche Maßnahme angewandt werden. In Großbritannien sind vergangenes Jahr mehr als 4 Millionen Tiere getötet worden. Beim letzten MSK-Ausbruch auf der Insel 1967 waren es nur 434.000. DANIELA WEINGÄRTNER