Mehr Leben als eine Katze

Der FC Barcelona gewinnt im Viertelfinale der Champions League gegen Athen mit 3:1

BARCELONA taz ■ Vorbei an Puyol, die Zuschauer schreien vor Begeisterung, Kluivert stellt sich ihm in den Weg, aber er schlägt einen Haken und rennt aufs Tor von Panathinaikos zu, 90.000 im Nou Camp sind aus dem Häuschen – es ist selbstredend kein Fußballprofi, sondern ein Fasan, der in der 60. Minute während des 3:1-Sieges des FC Barcelona über Panathinaikos Athen im Champions-League-Viertelfinale über das Spielfeld jagt.

Ein Fan hatte den Vogel unmittelbar nach dem Tor zum 3:1, das Barça nach der 0:1-Niederlage im Hinspiel ins Halbfinale brachte, auf den Rasen geworfen. Ob dies eine ganz raffinierte Methode war, Zeit zu schinden, oder Tierquälerei, sei dahingestellt. Auf jeden Fall war die fünfminütige Vogeljagd eine kurze Gelegenheit zur Entspannung an einem Abend, an dem die Champions League mit aller Dramatik und vollem Spektakel wirklich losging.

Barças Präsident Joan Gaspart konnte es nicht mehr mit ansehen und stieg nach einer Stunde vom Balkon in die Umkleidekabine herab, wo ihm der Mannschaftsarzt mit einer Infusion das Blut versüßen musste. Vor lauter Aufregung hatte der Präsident Unterzucker bekommen. Nach sieben Minuten bereits 0:1 im Rückstand, trieb Barcelonas Trainer Carles Rexach das Risiko in ungeahnte Dimensionen: Er spielte, was es kaum einmal auf diesem Niveau gegeben haben dürfte, mit fünf Stürmern. Kluivert, Rivaldo und Saviola in vorderster Reihe, Overmars und Luis Enrique leicht zurückversetzt auf den Flügeln. Der nicht nur an diesem Abend auf wunderbare Art energische Enrique mit zwei Treffern sowie der Argentinier Saviola brachten Barcelona den nötigen Vorsprung; und dann standen sie da, mit all ihren Weltklasse-Angreifern, und mussten verteidigen, eine halbe Stunde lang.

Dieser FC Barcelona ist ein Synonym für Wahnwitz. Große Momente wechseln permanent mit kläglichen Spielen. Mit der Qualifikation fürs Halbfinale bekommt die Saison wenigstens etwas Versöhnliches, wenn sie nun noch in der spanischen Meisterschaft Rang vier und somit die Qualifikation für die kommende Champions League halten können, muss man sagen: Ende gut, alles gut. Trainer Rexach wird dann vermutlich im Frieden aus dem Amt scheiden. Der 56-Jährige ist alles, liebenswert, mutig und phlegmatisch, aber kein Fußballtrainer für eine moderne Spitzenelf. Ihm fehlen die Besessenheit und die Kälte. Javier Irureta von Deportivo La Coruña und der Italiener Claudio Ranieri vom FC Chelsea sind die Wunschkandidaten des Vorstands für seine Nachfolge.

Noch aber darf Rexach träumen. „Jetzt will ich lieber Bayern München anstatt Real Madrid im Halbfinale; die Deutschen sind nicht so angriffslustig, das würde uns besser passen“, sagte er vor dem Rückspiel am gestrigen Mittwoch in Madrid. Zum Finale sind es nur noch 180 Minuten, und diesem unbeständigen FC Barcelona ist eigentlich gar nichts, aber dann doch wieder alles zuzutrauen. „Rexach hat mehr Leben als eine Katze“, schreibt das Fachblatt Marca, „siebenmal ist er diese Saison schon gestorben und immer noch munter.“ Das ist mehr, als sich über den armen Fasan sagen lässt. Der sah gar nicht gut aus, als ihn ein Ordner vom Platz schleppte. RONALD RENG