Arbeitsformen-Anthologie

Kommunikativ-Artgenda im Juni in Hamburg  ■ Von Petra Schellen

Filomeno Fusco will den Boden eines der künftigen Büros mit Harz ausgießen. „Dann bleibt das schön asymmetrische Muster der halb abgerissenen Teppiche sichtbar.“ Darüber hinaus will sich der Künstler im Artgenda-Center am Steindamm – das bis Ende Juni kostenlos bespielbare, abbruchreife Ex-Scientology-Center – aber nicht profilieren. Schließlich soll hier nur Treffpunkt für die Künstler sein: Vom 7. bis zum 23. Juni werden 170 Künstler aus 17 Ostsee-Anrainerstädten ganz Hamburg im Rahmen der 4. Kunstbiennale Artgenda bespielen.

Die Prämissen sollen allerdings – nach eher konventionellen Versuchen in Kopenhagen, Stockholm und Helsinki – völlig anders sein: Keine fertigen Werke werden die Künstler diesmal mitbringen und auch nicht als geschlossene Gruppen anreisen. „Die Artgenda soll ein Forum für Newcomer hauptsächlich aus dem Off-Bereich sein“, sagt Organisatorin Antje Mittelberg, in der Kulturbehörde Referentin für Städtepartnerschaften und Kulturaustausch. Art in Progress soll im öffentlichen Raum, in Museen und an Off-Orten präsentiert werden. An die Stelle konventioneller Kuratoren ist zudem das Prinzip des wechselseitigen Kuratierens der Künstler getreten. Außerdem soll – auch das ein Desiderat bisheriger Artgendas – der Kontakt der Künstler, die sich für jedes Projekt neu mischen, erleichtert werden.

Grund für die Organisatoren – Kulturbehörde sowie Ex-Artgenda-Teilnehmer –, das „Paten“-Prinzip zu wählen: Direkt im Anschluss an Erkundungsreisen Hamburger Künstler in die Ostsee-Anrainerstaaten entwickelten Hamburger Initiativen – die „Paten“ – Vorschläge für Gruppenprojekte, die auf die Artgenda-Website gestellt wurden. Diese Webadresse sei, beruhigte Mittelberg auf der gestrigen Präsentation – in Szenekreisen hinreichend bekannt gewesen. Per Autoredaktionssystem konnten sich die ausländischen Künstler dort präsentieren und für die Teilnahme bewerben; wer sich für mindestens drei Projekte interessierte, kam in die engere Wahl.

Hierarchisch sei dieses Verfahren jedoch nicht gewesen, so Mitorganisator und Performance-Künstler Veit Sprenger: „Die Hamburger Künstler sollten einen Rahmen vorgeben, in den sich die ausländischen Partner mit Ideen einbringen konnten.“ „Hätten wir die ausländischen Künstler selbst Vorschläge machen lassen, wären wir dem klassischen Kuratoren-Prinzip wieder zu nahe gekommen“, bestätigt sein Kollege Jan Holtmann. Ein rotes Tuch für die Organisatoren – doch ganz willkürlich verfuhren auch sie nicht: Vorauswahlen hatten in den Ostsee-Anrainerstädten so genannte City-Koordinatoren getroffen, die den im vorigen Sommer angereisten Hamburgern Künstler vorschlugen. „Denn solche Kraut-und-Rüben-Konglomerate wie auf manchen jurylosen Ausstellungen wollten wir natürlich nicht“, sagt Antje Mittelberg. Scheint fast so, als knirschte es da im Konzept, als hätte man durch die Hintertür die Kuratorenschaft wieder eingeführt.

Unter ein einheitliches Motto wurden die Partner nicht gezwungen: „Wir haben Künstler gewählt, die medienübergreifend tätig sind“, sagt Mittelberg. Letztlich wolle man mit den 35 ausgewählten Projekten aber eher eine „Anthologie der Arbeitsformen“ präsentieren – in Form einer stadtweiten Ausstellung, die man sich erwandern müsse. Möglich, dass sie dauerhaft tragfähige Kontakte initiiert. Denn Hoffnung auf Annäherung jenseits aller Ideologieblocks macht sie schon, die Tatsache, dass sich dabei estnisch russische und litauisch-polnische Begegnungen ergeben werden. Vielleicht schaffen es die Künstler über die gemeinsame Arbeit, historisch gewachsene Verbitterung zu überwinden.