themenläden und andere Clubs In Sachen Rücksichtnahme und Völkerverständigung
: Die Unzerstörbarkeit des Hühnchens

Neben der tragischen Abberufung des Botschafterpaares Thomas und Shawne Fielding-Bohrer und der noch nicht verschmerzten Trennung von Britney und Justin bewegen noch zwei andere Nachrichten die Gemüter moderner Menschen: Während der Fleischanteil von Kochschinken in den letzten Jahren von 80 auf unter 50 Prozent gesunken ist, haben Forscher der US-Armee ein Hühnchensandwich entwickelt, das auf wunderbarer Wiese unzerstörbar ist. Bei sommerlichen Temperaturen soll es ungekühlt bis zu drei Jahren haltbar sein, bei sehr sommerlichen Temperaturen sogar bis zu sechs Monaten, sofern man es nicht vorher isst.

Das ist nicht nur forschungstechnisch sehr beachtlich, sondern auch noch strategisch absolut vernünftig, zumals sich die US-Armee bekanntlich darauf einstellt, sich zukünftig ihre Zeit in klimatisch wärmeren Gegenden zu vertreiben, und zwar nicht nur dort, wo es an jeder Ecke unbegrenzt Stromzufuhr und Kühlschränke zu Essenseinlagerung gibt. Man muss sich allerdings fragen, warum ausgerechnet ein unzerstörbares Hühnchensandwich entwickelt wurde und nicht etwa ein Käse-Schinken-Sandwich.

War es eine Entscheidung von rein wissenschaftlicher Natur, oder war es eine Frage des Geschmacks? Immerhin könnte es ja sein, dass Hühner, haben sie erst einmal das Zeitliche gesegnet, von Natur aus unzerstörbarer sind als ein Käse, der zwar sowieso nicht lebt (lebende Käsekulturen sind in den USA lebensmittelrechtlich verboten), aber selbst tot relativ sensibel sein kann. Vielleicht sind auch Schweine in Schinkenform relativ wankelmütige Gesellen.

Es könnte aber auch sein, dass der Verzehr von Hühnchensandwich in den derzeit avisierten Einsatzgebieten weitaus unproblematischer ist als der Konsum vergleichbarer Güter. Das wäre dann ein schöner Zug in Sachen Rücksichtnahme und Völkerverständigung der etwas anderen Art. Denn vieles spricht dafür, dass Huhn – soweit man nicht auf vegetarische Kost besteht und den beklagenswerten Zustand hühnerunwürdiger Hühnerhaltung einmal außer Acht lässt – ein über alle Maßen unproblematisches Fleischprodukt ist, das vielleicht universell unproblematischste überhaupt. Denn vom fernen bis zum Nahen Osten, von der Achse des Bösen entlang bis zur Heimatfront ist das Huhn als Nahrungsmittel sehr beliebt, während das Schwein sowohl aus religiösen als auch aus ernährungspolitischen Gründen als heikel gilt, vom Rind ganz zu schweigen.

Was hat nun das Huhn, was andere Viecher nicht haben? Tatsächlich sind Hühner nicht wirklich sympathisch, sondern vielmehr flatterhaft, zickig und eigen. Küchenfertig sind sie nicht einmal besonders nahrhaft. Andererseits sind sie sättigend, so viel kann man sagen. Es bleibt also ein Rätsel. Um diese relativ globalen Überlegungen wieder an das Stadtleben zurückzubinden, denn von nichts anderem soll diese Kolumne ja tief im Innersten handeln, sei kurz noch auf die Rolle des Huhns als interessante Nahrungsoption für den weltoffenen Berliner hingewiesen.

Nicht nur bei den zahlreichen Coffee-to-go-Anbietern spielt das klassische, wenn auch nur kurzfristig haltbare Hühnchensandwich eine wichtige Rolle, sondern auch beim Siegeszug des weltweit größten Fast-Food-Hühnchenhändlers an sich: Kentucky Fried Chicken, jener Ladenkette des freundlich lächelnden Colonel, der einst aus mit einer Pannade aus ungefähr 32 geheimen Kräutern dem frittierten Federvieh zu internationalem Ruhm verhalf, der durch nichts zu stoppen ist. Auch der Colonel diente einst bei amerikanischen Armee. Das nur nebenbei, auch wenn das nichts weiter zu sagen hat. HARALD PETERS