Selbst die Abrissbirne ist zu teuer

Im Osten Deutschlands stehen immer mehr Wohnungen leer – mancherorts bis zu 30 Prozent. Die Wohnungsgesellschaften haben weder Geld sie abzureißen noch sie zu sanieren. Verband fordert finanzielle Hilfen

BERLIN taz ■ Wenn es um Wohnungen geht, hat der Osten Deutschlands einen deutlichen Vorsprung gegenüber dem Westen. Das Angebot ist riesig, die Mieten sind niedrig wie nie. Ende des vergangenen Jahres standen über 1,2 Millionen Wohnungen in den ostdeutschen Bundesländern leer. Was künftige Mieter freuen mag, bedrückt die Wohnungsbaugesellschaften. Der Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen (GdW) warnte gestern in Berlin, dass die Zahl der insolventen Vermieter im Osten in diesem Jahr deutlich steigen werde.

Fünf Wohnungsbauunternehmen sind bereits pleite, jeweils rund 1.500 Wohnungen waren betroffen, sagte GdW-Präsident Lutz Freitag. Die Zahl werde steigen, bereits jetzt stünden bei 300 der rund 1.300 ostdeutschen Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften über 15 Prozent der Wohnungen leer. Diese Grenze gilt unter Experten als existenzbedrohend. Denn an den Wohnungen lässt sich nichts verdienen, zudem kosten sie aufgrund von Altschulden aus DDR-Zeiten pro Quadratmeter bis zu 300 Euro jährlich, sagte der sächsische Finanzminister Thomas de Maizière. Sachsen hat mit 19,1 Prozent die höchste Leerstandsrate der ostdeutschen Bundesländer. Betroffen sind nicht nur DDR-Plattenbauten, sondern auch alte Häuser in den Innenstädten, die zum Teil aus der Gründerzeit stammen.

Hauptgrund für die hohe Zahl leerstehender Wohnungen ist der starke Bevölkerungsverlust der östlichen Länder nach der Wiedervereinigung. Die Geburtenrate brach ein, viele wanderten in die Westländer ab, um Arbeit zu finden. Außerdem leben in Ostdeutschland nur 57 Prozent der Bevölkerung in Großstädten, im Westen sind es 75 Prozent. Zudem gab es in den Kommunen noch in den 90er-Jahren akute Wohnungsnot, die Bauwirtschaft boomte. Die neuen Wohnungen verstärken heute den Druck auf den Wohnungsmarkt.

Dem Leerstand soll nicht nur durch Sanierung, sondern auch mit der Abrissbirne begegnet werden. „Es gilt nicht mehr die Devise: mehr, größer, schneller, sondern gezielter und qualitätvoller“, sagte Ingrid Häußler, Oberbürgermeisterin von Halle und Sprecherin des Städtetags.

Bund und Länder unterstützen seit Anfang des Jahres die Stadtentwicklung mit dem Programm „Stadtumbau Ost“, insgesamt wird der Bund eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Hinzu kommen weitere Mittel für Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf und für städtebauliche Maßnahmen. Angesichts der jährlichen Schuldenlast von 150 Millionen Euro reiche das nicht aus, befand GdW-Chef Freitag, die Wohnungsgesellschaften bräuchten finanziellen Spielraum für weitere Modernisierungen. Nötig sei deshalb ein stärkeres finanzielles Engagement der Banken sowie weitere steuerliche Vergünstigungen. NADIA LEIHS