Dschihad-Aufruf ohne Echo

Die muslimischen Verbände in Deutschland sind sich einig, dass es keine militärische Lösung für Nahost gibt. Der ehemalige türkische Ministerpräsident Necmettin Erbakan dementiert, den Dschihad-Aufruf gegen Israel unterzeichnet zu haben

von YASSIN MUSHARBASH

Die muslimischen Verbände in Deutschland sind zuversichtlich, dass der am Mittwoch von einem internationalen Netzwerk islamistischer Organisationen für heute angekündigte „Tag der Wut und des Protests“ gegen Israel und die USA in Deutschland ruhig verlaufen wird. Auch der Aufruf zum Dschihad und zum bewaffneten Kampf zur Befreiung Palästinas werde ungehört verhallen, sind sich die Vertreter der muslimischen Community sicher.

„Dieser Aufruf ist Unsinn“, sagte Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats, der taz. „Israel ist eine Realität, da gibt es nichts zu diskutieren. Es ist unnötig, für zusätzliche Ängste und Vorurteile zu sorgen.“

Auch der Zentralrat der Muslime (ZMD), der zweite Dachverband hier lebender Muslime, distanzierte sich von dem Aufruf. Der ZMD sehe keinerlei Verbindlichkeit für Muslime in der Erklärung, die unter anderem von Vertretern der palästinensischen Hamas, der proiranischen Hisbullah-Miliz und der ägyptischen Muslimbruderschaft unterzeichnet wurde. „Meine Definition von Dschihad sieht so aus, dass ich alle friedlichen Mittel ausnutze“, erklärte Ayman Mazyek, Sprecher der ZMD. „Angebracht wäre es, zum Frieden aufzurufen.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass Muslime in Deutschlands den Aufruf ernst nehmen, schätzte Mazyek als gering ein.

Deutliche Worte auch von der islamistischen Milli Görüs (IGMG): „Wir distanzieren uns von dem Aufruf“, sagte Oguz Ücüncü, Generalsekretär der IGMG, der taz. „Unsere Position ist klar. Wir wollen, dass die Weltgemeinschaft sich im Nahen Osten einmischt, und unterstützen deshalb keinesfalls Ausrufe zur weiteren Eskalation.“

„Es gibt keine militärische Lösung für den Nahostkonflikt“, betonte auch Ibrahim El-Zayat, der Vorsitzende der Islamischen Gemeinden in Deutschland. „Wir können uns mit diesem Aufruf nicht identifizieren.“ Ein Boykott israelischer Produkte sei aber vertretbar. „Diese Forderung kommt ja auch nicht nur von Muslimen. Die kann man unterstützen“, sagte El-Zayat im Gespräch mit der taz.

In der Mittwochnacht verbreiteten Erklärung hatten die Unterzeichner die muslimischen Staaten dazu aufgefordert, den Dschihad auszurufen und die „heiligen Stätten“ in Palästina zu befreien. Ferner riefen sie die Sicherheitskräfte in der muslimischen Welt dazu auf, anti-israelische Demonstrationen nicht aufzulösen, sondern sich ihnen anzuschließen.

„Der Nahostkonflikt ist in unserer Einschätzung der Gefahrenlage bereits berücksichtigt“, erklärte unterdessen Norbert Unger, Sprecher des Bundeskriminalamts auf die Anfrage der taz, wie das BKA den Aufruf bewertet. Das Bundesinnenministerium teilt die Einschätzung des BKA.

Für kurzzeitige Aufregung hatte gesorgt, dass Angaben der Presseagentur dpa zufolge auch der ehemalige türkische Ministerpräsident Necmettin Erbakan den Aufruf unterzeichnet habe. Erbakan dementierte diese Behauptung jedoch umgehend laut Milli Görüs.