Vom Fanzine zum Coffeetable-Book

Untypische Kulturzeitschrift: Der „Antihund“ kommt mit dem Comic-Heft „Jimmy Draht“ und der Band „Osaka Bondage“ in die Astra-Stube  ■ Von Gregor Kessler

Viel lässt sich lernen in Hamburgs Wochenzeitungen. Neulich etwa, als mal wieder der Finger an den Puls der Zeit gelegt werden sollte, war in einer von ihnen – über ein Bild mit den Buttons am Revers des Strokes-Bassisten gesetzt – zu lesen, dass solche runden Dinger ja nunmehr „seit 1977 die weltweite Erkennungsmarke des Punk“ seien. Da hätten sich ja, so dachte man verblüfft, Autoren wie Jon Savage oder Greil Marcus gar nicht die Finger wund schreiben müssen, um das Phänomen Punk zu erklären.

Ein paar Seiten vor dieser Verständnishilfe wurden uns auf gleich einer ganzen Zeitungsseite die bajuwarischen Wunderjungen von The Notwist erklärt, inklusive ihrer Wurzeln im Oberbayrischen, ihrer Freunde am Lech und ihres vielfältigen Werkens in und um die Musik. Auch der Name Antihund fiel hier, obwohl die Notwist-Brüder Acher doch nur peripher etwas mit diesem Geschöpf am Hut haben. „Verwirrend“, so der Autor des Artikels, sei die dritte Ausgabe der untypischen Kulturzeitschrift geraten. Womit man dann etwa gleichviel über die Zeitschrift erfahren hatte wie über das unbekannte Wesen „Punk“.

Das wird sich nun bald ändern, denn der Antihund kommt nach Hamburg. Und er kommt nicht alleine. Er bringt seinen guten Freund Jimmy Draht mit und seine Bekannten von Osaka Bondage. Doch der Reihe nach. Am Anfang steht Valerie Trebeljahr. Die in Korea geborene, in Portugal aufgewachsene und in München lebende Musikerin war bereits mit einer tollen Band namens LBPage aufgefallen, als sie sich entschloss, ins Geschäft der Teilzeitpublizisten einzusteigen. Sie gründete eine jener kleinen und ebenso charmanten wie dilettantischen Zeitungen von Fans für Fans, die man folglich Fanzines nennt. Nichts Ungewöhnliches, allein in Deutschland gibt es davon in guten Zeiten ein paar Hundert.

Ungewöhnlich wurde es erst, als Valerie Trebeljahr all ihre Freunde mit an Bord nahm. Musiker, Künstler und Schreiber aus dem kreativen Bermudadreieck Deutschlands: der Gegend zwischen Landsberg und Weilheim. Der eher verlassene Flecken war damals bereits halbwegs bekannt geworden als Heimat eines Dutzends Musiker, die in einer Unzahl verschiedener Bands spielten und ihre Platten auf dem gleichsam hier ansässigen Hausmusik Label veröffentlichten.

Doch in diesem Fall führte die ländliche Inzucht nicht zu wachsender Einheitlichkeit und Langeweile, sondern zu einem sich gegenseitig befruchtenden Klima der Experimentierfreude und Kreativität. Das wirkte sich auch nachhaltig auf den Antihund aus. Schon bevor das Heft richtig startete, verließ es die ausgetretenen Pfade missionarischen Schreibens („jetzt zeig ich euch mal, was eigentlich eure Lieblingsplatte sein sollte“) und suchte sich eine eigene Route durch das zusammenwachsende Dickicht aus Musik und Kunst, Grafik und Fiktion.

In den bislang drei Ausgaben gelang dieses inhaltliche und mediale Crossover zunehmen besser. In der jüngsten bereits so gut, dass von einem Fanzine nicht mehr die Rede sein kann. Der dritte Antihund präsentiert sich – zusammen mit dem aus der selben Szene stammenden Comic-Heft Jimmy Draht, das zum fünften Mal erscheint – als farbig illustriertes Kaffeetisch-Buch, das in Wort, Bild und Ton das Thema „Portrait“ behandelt – auch eine Single liegt bei. Von Glenn Gould über Iggy Pop bis zum lieben Gott wurden hier sehr verschiedene reale und fiktive Personen interviewt, aufgelockert von ebenso verschiedenen Grafiken, Illustrationen und Fotos.

Zwei Antihund-Zeichner, die Schweizer Helge Reumann und Xavier Robel, werden nun versuchen, gemeinsam mit der französischen Band Osaka Bondage, den intermedialen Ansatz des Antihund in die Astra-Stube zu zaubern. Dafür ist die Band besonders geeignet, weil sie sich ihrerseits jeglicher starren Festschreibung verweigert. So wie die jüngste Antihund-Ausgabe zur gleichen Zeit Comicheft, Literatur-Sammlung und Musik-Fanzine sein kann, wollen auch Osaka Bondage sich nicht festlegen, ob ihr Metier nun Ambient-TripHop, analoge Elektronik, Unterwasser-Dub oder lieber doch Noise-Rock ist. Ihre neue Platte erschien jedenfalls soeben auf dem Weilheimer Kollaps-Label, und dort wusste man schon früher nicht zu unterscheiden zwischen Jazz, Lärm und Rock.

Sonntag, 21.30 Uhr, Astra-Stube