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Ohne Hast entlang der Hase

■ Osnabrücker Land, du bist mir nicht mehr unbekannt: Eine Radtour in kacheligem Lokalkolorit

Das Osnabrücker Land fand ich schon immer toll. Von der IC-Strecke Bremen-Rheinland aus betrachtet locken ordentliche Hügel, mächtige Eichen, stolze Gehöfte, saftiges Gras ... Am meisten jedoch erfreut mich der klingende Titel, mit dem sich Osnabrück selbst schmückt: „Osnabrück – Zentrum im Osnabrücker Land“. Andere Städte schreiben in ihre Bahnhöfe ja so was wie „Hannover – Messe- und Expostadt“, „München – die Weltstadt mit Herz“ oder „Regensburg – das mittelalterliche Wunder Deutschlands“. Osnabrück aber glänzt mit dem Naheliegenden.

Gründe genug, eine Radtour zu planen und die knappe Stunde Fahrzeit mit der Deutschen Bahn zu investieren. Dann: Munter am Osnabrücker Hauptbahnhof ausgestiegen und Spur aufgenommen. Die Spur der Hase-Ems-Tour, die einen mit ihren unzähligen Wegweisern gleich am Bahnhofsvorplatz an die Hand nimmt und nicht mehr loslässt. Keine Wegkreuzungsdiskussion, Karteninterpretationen und zerrüttete Beziehungen. Danke, Osnabrücker Land.

Flugs geht es über Eversburg in Richtung Bramsche, immer neben, über und an der Hase. So ein geführter Radweg ist natürlich nichts für KilometerfresserInnen. Schneller käme man geradeaus voran. Dafür bescheren uns die Hase-Ems-Fährtenleger eine weit gehend autofreie, phantasievolle Route unter Einbeziehung possierlicher Kleinstwege.

Die Kurverei unter Osnabrücker-Land-Prachteichen macht angenehm müde. Und so fragen wir uns schon schlappe 22 Kilometer nach dem Start: Wie schläft sich–s denn so auf dem Lande? Von kaminbefeuerten Dorfherbergen träumend gelangen wir nach Bramsche. Bramsche. In Bramsche gibt es keine freie Dorfherberge. Also quartieren wir uns im „Hotel Garni Zur Krim“ ein – schön gelegen am Ortsausgangskreisel. Draußen treibt der Klinker sein Unwesen, auch drinnen wurde Hand angelegt: Jeder zweite Raum ist brusthoch verkachelt. Man habe Selbstversorgungsküchen für die Gäste vorgesehen, erläutert uns der Wirt – „die wurden aber nicht so angenommen.“ Also schlafen jetzt wir im abwischbaren Ambiente.

Erfrischt ignorieren wir am nächsten Morgen das Varus-Schlachtfeld in Bramsche-Kalkriese. Obwohl sich ein Besuch bestimmt gelohnt hätte. Unter immerhin 700 Mitbewerbern hat Kalkriese die Ehre ergattert, der Ort zu sein, an dem Hermann der Cherusker die Römer besiegte. Zumindest wahrscheinlich. Jetzt sorgt die Varusschlacht-GmbH mit einem 28-Millionen-Euro-Topf für Attraktionen.

Als pazifistisch-korrekte RadlerInnen vermeiden wir jedoch den Abstecher und folgen der Hase zu den Klöstern der Malteserritter. Klingt doch auch nicht schlecht. Die Helden des Aquavit siedelten unter anderem in Lage und Bersenbrück, und dort gibt es auch ein Museum mit so schönen Dingen wie Fingerschützer für frühneuzeitliche Zahnärzte. Und dann, in Gehrde (45 Kilometer nach Osnabrück), wollen wir schon wieder schlafen gehen.

Nach der Kachelorgie am Kreisel haben wir diesmal Glück: Bei Willerts. Mitten im Dorfkern weist ein eleganter Stahlständer auf den Backsteinbau, „Bed and Breakfast“. Hilde und Achim Willerts Radlerunterkunft ist die Wucht. Hilde bettet, Achim schweißt. Bettgestelle, Papierkörbe, Handtuchhalter. Zusammen ergibt das eine sehr wohnliche Mischung. Früher hauste hier auch der Dorfpolizist.

Das Osnabrücker Land ist toll. Was ham wir nich noch alles gesehen: Wege durch weite Felder, in denen nur die unmotivierten „NDR-1-Rosenbeete“ stören; Clemens August v. Galens idyllische Wasserburg bei Dinklage mit den lustigen Nonnen; das Quakenbrücker Heimatmuseum, dessen Vitrinen auch das aktuelle Postleitzahlenbuch beherbergen. Von Osnabrück nach Quakenbrück radelt man 65 Kilometer, dann beginnt der emsländische Teil der Tour.

Den Sportlichen unter den taz-LeserInnen seien mögliche Dimensionen einer Hase-Ems-Route aufgezeigt: Man kann von der Quelle der Hase bei Melle im Teutoburger Wald über deren Mündung in die Ems (Meppen) bis Rheine 265 ausgeschilderte Kilometer zurücklegen – südlich von Osnabrück eher bergig, im Norden freundlich flach. Resümierend rufe ich aus: Osnabrück, ich komm zurück.

Henning Bleyl

Adressen: Bed and Breakfast in Gehrde, Hilde Willert. Tel.: (05439) 2232. Informations- & Reservierungssystem Osnabrücker Land (auch für die preiswerten „Heuhotels“) Tel.: (0541) 951 11 95. Unter dieser Nummer sind auch Karte und Begleitheft „Radwandern im Osnabrücker Land“ zu beziehen. Für die Ausdehnung der Tour ins Emsland: Emsland Touristik Tel.: (05931) 44 335

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