Zahnlose Tigerjäger

Die Elite des Golfsports verneigt sich beim Masters in Augusta vor Tiger Woods – und vergisst darüber, den alten und neuen Champion zu schlagen

von THOMAS GÖGELE

Fast war es ein Déjà-vu. Tiger Woods trug sein rotes Poloshirt, er kam den Hang zum letzten Grün herauf, und die Zuschauer zollten dem Masters-Champion mit stehenden Ovationen ihren Respekt. Kurzum: Es war wie vor fünf Jahren. Damals wurde der Ausnahmegolfer aus den USA jüngster Masters-Sieger aller Zeiten. Und es war wie im letzten Jahr, als er durch seinen Sieg auf den saftigen Grüns von Augusta auch das vierte Major-Turnier in Serie gewann. Doch auch der Triumph 2002 wartete mit etwas ganz Besonderem auf: Nicht nur, dass Woods seit Sonntag erst der dritte Spieler überhaupt ist, der seinen Masters-Titel verteidigen konnte, viel mehr noch zur eigenen Legende beitragen dürfte, wie sehr die gesamte Weltspitze vor ihm kapitulierte.

Das Leaderboard vor der letzten Runde war jedenfalls wie selten zuvor mit der Crème de la Crème des Golfsports bestückt. Woods und Retief Goosen (Südafrika) lagen mit 11 unter Par in Führung, dahinter folgten Vijay Singh (zwei Schläge zurück) sowie drei Spieler mit weiteren zwei Schlägen Rückstand. Es versprach ein dramatischer Sonntag zu werden, doch aus dem engen Kampf um den Sieg wurde es nichts. Denn bei den Jägern des Tigers setzte das größte kollektive Formtief ein, das ein Turnier je am Schlusstag erlebt hat.

Die Ursache des sonntäglichen Zitterns war freilich schon am Ende der dritten Runde am Samstag auszumachen: Ein Birdie am letzten Loch garantierte Woods den Platz in der letzten Startgruppe – und in vergleichbarer Situation hatte er noch nie zuvor einen Major-Sieg verspielt. Das wusste auch die Konkurrenz – und doch hatte sie keine Mittel, dies zu ändern. Die 74-er Runde von Goosen, Woods Mitspieler auf der finalen Runde, ist gerade noch erklärlich: Es ist einfach schwer, gegen Tigers Präsenz auf dem Platz zu bestehen. Aber selbst die miesen Rundenergebnisse von Els (73), Singh (76) und Garcia (75) beschreiben nur annähernd, welch schwaches Golf sich die Zuschauer ansehen mussten.

Die Spieler selbst sahen das ähnlich. „Ich habe mir schon auf den ersten Löchern selbst die Luft herausgelassen“, sagte ein enttäuschter Goosen nach der Horror-Runde. Ernie Els meinte nur, der Platz mit seinen weichen Grüns und dem wenigen Wind habe einem alle Möglichkeiten gegeben, einen guten Score zu spielen. Warum er es dennoch nicht tat, sagte er nicht.

So brauchte Tiger Woods noch nicht einmal sein bestes Spiel auszupacken. „Ich habe versucht, beide Hälften der Runde unter Par zu spielen und dadurch meinen Verfolgerkreis zu reduzieren“, sagte er später. Das mit dem Par gelang ihm zwar nicht, seine Gegner aber konnten auch diese Chance nicht nutzen. Was schade war, denn mit mehr Druck seitens der Verfolger hätte Woods bestimmt noch einen Gang höher schalten können. Doch auch so war der Sieg eine taktische Meisterleistung.

Auf die Frage, warum er gewonnen habe, antwortete der Tiger: „Ich habe mich von Schwierigkeiten fern gehalten.“ Dieses Rezept hätte auch Els bei seiner acht an Loch 13 sowie Singh (9 Schläge auf der 15. Bahn) helfen können. Doch fast schien es, als hätten die beiden vor der Runde eine Wette abgeschlossen, wer die meisten Bälle ins Wasser schlagen kann.

Am Ende herrschte Einigkeit unter den Geschlagenen. Goosen, der durch zwei Birdies gegen Ende der Runde Zweiter wurde, sagte über den alten und neuen Träger des grünen Jacketts: „Gebt ihm noch ein paar Jahre und er wird noch besser als Jack Nicklaus sein.“ Und Berhard Langer, nach gutem Start am Ende 32., fügte an: „Woods kann einfach alles. Putten, chippen, pitchen – nicht nur beim Abschlag ist er phänomenal.“

Auf jeden Fall richtet Tiger Woods seine Ziele längst nicht mehr nach der Konkurrenz aus, sondern nur noch nach seinen eigenen Vorgaben. „Ich versuche, jedes Jahr am Ende der Saison besser zu sein als am Anfang. Wenn ich das schaffe, werde ich eine ganz gute Karriere haben“, sagt er. Daran kann es keine Zweifel geben.