Immer langsam voran

Die Debatte über die Kompetenzverteilung zeigt: Der Konvent darf nicht länger Zeit mit Grundsatzdebatten verlieren

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Hannes Farnleitner, der die österreichische Regierung im Konvent zur EU-Reform vertritt, sprach gestern sicher vielen Delegierten aus der Seele: Er habe einen Satz aus dem Arbeitspapier zur Kompetenzverteilung (siehe „unverständlich“) einer Gruppe befreundeter Bürgermeister vorgelesen und damit viel Heiterkeit geerntet.

Ganz sicher war dies nicht die Wirkung, die das Konventssekretariat im Sinn hatte, als es den Mitgliedern eine Zusammenfassung an die Hand gab, wie die Aufgaben zwischen Brüssel und den Mitgliedsstaaten derzeit verteilt sind. Das Papier ist aber selbst der beste Beleg dafür, dass es dem Konvent gelingen muss, die EU-Verträge zu vereinfachen. Man fragt sich allerdings, warum das Präsidium ausgerechnet das umstrittene Thema Kompetenzverteilung, das nur auf deutsches Drängen hin überhaupt auf die Tagesordnung kam, an den Anfang der Debatte stellte.

Vielleicht ließ es sich von der Hoffnung leiten, diese Materie damit vom Tisch zu haben. Im Juli, wenn die konkrete Arbeitsphase beginnen soll, weiß wohl niemand mehr so genau, was im April gesagt wurde. Der Vertreter der Bundesländer, der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel, scheint aber entschlossen, das zu verhindern. Sein Grundsatzpapier, das sich in weiten Teilen nur der Kompetenzordnung widmet, stellte er gleich mehrfach auf die Internet-Seite des Konvents und verteilte es schon vor der ersten Sitzung an die Journalisten.

Da sich das Präsidium bei der Sitzungsvorbereitung offensichtlich nicht entscheiden konnte, ob es technokratischen Details oder philosophischen Grundsatzfragen der Kompetenzabgrenzung den Vorzug geben wollte, schwankten auch die Redebeiträge zwischen diesen beiden Ebenen. Während Erwin Teufel gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie wetterte und den Umweltschutz auf die nationale Ebene zurückholen wollte, sprachen andere vom 11. September und den neuen Herausforderungen für die gemeinsame Verteidigungspolitik. Viele Redner nutzten die Ergebnisse der jüngsten Eurostat-Umfrage, um die vom Präsidium gestellte Frage nach den Erwartungen der Bürger in ihrem Sinne auszudeuten: Laut Eurostat wollen 67 Prozent der Befragten eine EU-Verfassung. Darauf verwiesen alle Debattenteilnehmer, die die Verträge in einen grundlegenden konstitutionellen Teil und ein tagespolitisches Regelwerk trennen wollen.

Nur 22 Prozent der Befragten halten die Außenpolitik noch für eine nationale Aufgabe. Das sieht der Konvent genauso. Gerade Delegierte wie Erwin Teufel, die viele Politikbereiche in die Nationalstaaten und Regionen zurückholen wollen, betonen gleichzeitig, dass die EU künftig nur mit einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bestehen kann. Weniger freut ihn dagegen, dass auch Umweltschutz und die Bekämpfung der Armut inzwischen von den meisten Befragten als Gemeinschaftsaufgabe angesehen werden.

Fast keiner der Debattenteilnehmer will den in Deutschland so beliebten Kompetenzkatalog oder gar eine Negativliste für die Bereiche, in denen die EU künftig nichts zu sagen hat. Dieses Modell gilt als zu starr und unflexibel, um einer im Entstehen begriffenen Union gerecht zu werden. Stattdessen sollen Politikbereiche den drei Kategorien ausschließliche, konkurrierende und ergänzende Kompetenzen zugeteilt werden. Der bayerische Europaabgeordnete Joachim Würmeling plädiert außerdem dafür, dass diese Zuordnung künftig mit qualifizierter Mehrheit leichter als bisher geändert werden kann.

Die von Giscard d’Estaing gewählte Methode, sich zunächst in einem breiten Diskurs gegenseitig zuzuhören, braucht enorm viel Zeit und bringt wenig Annäherung – das wurde schon bei dieser 3. Plenartagung deutlich. Deshalb wird die Gruppe derjenigen Delegierten größer, die rasch Arbeitsgruppen zu Detailproblemen einrichten wollen. Denn am Ende muss ein lesbarer, wasserdichter Entwurf der neuen EU-Verträge auf dem Tisch liegen – oder es bleibt bei den 85.000 Seiten, auf denen derzeit die Gemeinschaftsregeln verklausuliert sind.