Gefängnis statt Krieg

■ Israelischer Kriegsdienst-Verweigerer in Bremen: „Ich kann nicht Teil einer Besatzungs-Armee sein“

Täglich treffen neue Kriegsmeldungen aus Israel ein. Doch die Zahl derer, die sich dem blutigen Kämpfen verweigern, wächst. Lothan Raz, 21 Jahre alt und Geschichtsstudent aus Tel Aviv, ist einer von ihnen. Heute Abend ist er auf Einladung von Friedensgruppen in Bremen zu Gast.

taz: Sie haben 1999 den Kriegsdienst verweigert. Warum?

Lothan Raz: Ich konnte nicht Teil einer Besatzungs-Armee sein. Ich will, dass Israel Frieden mit den Palästinensern schließt – auf gleichberechtigter Basis. Die israelische Regierung benutzt aber die Armee, um die Rechte der Palästinenser bei Verhandlungen zu schwächen. Wenn wir in Israel sicher leben wollen, müssen wir die Besetzung beenden.

Es gibt in Israel kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung.

Schlimmer noch: Das wurde bis vor kurzem noch nicht einmal diskutiert. Jeder ging zur Armee.

Wie reagierte das Militär auf Ihr Nein?

Ich musste ins Gefängnis gehen. Dort saß ich insgesamt 56 Tage, zweimal 14 und einmal 28. Dann entschied die Armee, mich wegen „Untauglichkeit“ zu entlassen.

Bereuen Sie Ihre Entscheidung?

Nicht für eine Minute. Ich glaube, es ist nötig, dass man widerspricht und mutige Dinge tut, wenn etwas falsch läuft. Ich will, dass mein Land eine richtige Chance hat, friedvoll und sicher mit seinen Nachbarn zu leben. Meine Entscheidung war ein Zeichen. Kriegsdienstverweigerung ist heute auch in Israel ein Thema.

Haben Sie Unterstützung erfahren?

Mehr als je zuvor. Mehrere hundert Menschen demonstrierten für meine Freilassung. Noch nie zuvor hat es in Israel zu einem solchen Thema so große Demonstrationen gegeben. Ich habe auch viele Briefe ins Gefängnis erhalten, es gab Petitionen, Unterstützung aus dem Ausland, und so weiter. Es schien, als ob mehr und mehr Menschen verstanden hätten, dass es nötig ist, den Militärdienst zu verweigern. Natürlich gehen nicht jeden Tag Dutzende ins Gefängnis. Aber das braucht auch eine Menge Mut.

Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern hat in den letzten Wochen einen neuen, blutigen Höhepunkt erreicht. Was ist mit der örtlichen Friedensbewegung?

Die ist gewachsen. Ich nenne mal ein paar der hoffnungsvollen Entwicklungen: Zum Einen gibt es mehr und mehr gemeinsame Aktionen von Juden und Palästinensern. Letzten Samstag etwa marschierten mehr als 3.000 Juden nach Dschenin, eines der Flüchtlingscamps in der Westbank, und brachten 40 Lkw mit Essen und Hilfsgütern mit. Leider ließ die Armee bisher nur fünf davon durch. Zwei Wochen zuvor fand sogar eine noch größere gewaltfreie Demonstration statt. Mehr als 5.000 Juden und Araber versuchten damals gemeinsam, Hilfsgüter in eine belagerte Stadt zu bringen.

Außerdem verweigern immer mehr Leute den Wehrdienst in den besetzten Gebieten oder sogar generell: 130 Wehrpflichtige haben bis jetzt öffentlich kundgetan, dass sie sich weigern werden, in einer Besatzungs-Armee Dienst zu tun. Vor einigen Monaten hatten 53 Reserveoffiziere eine ähnliche Erklärung abgegeben – inzwischen sind es 400. 38 Israelis sitzen im Moment im Gefängnis, weil sie den Kriegsdienst verweigern.

Kommt das nicht alles ein biss-chen spät?

Viele hatten große Hoffnung in das Abkommen von Oslo gesetzt, und diese Hoffnung haben sie dann verloren, weil die Intifada von Neuem ausbrach. Aber wenn die Leute begreifen, dass die Palästinenser sie nicht umbringen wollen, sondern dass sie einfach unterdrückt und hoffnungslos sind und wirklich mit uns leben wollen, dann gehen sie auch langsam wieder für den Frieden auf die Straße. Genau das passiert im Moment.

Welche Schritte konkret führen zum Frieden in Israel?

Zuallererst müssen die Israelis die Kämpfe einstellen. Das heißt: Wir müssen die besetzten Gebiete räumen und einem palästinensischen Staat zustimmen. Die Palästinenser müssen eine klare Erklärung abgeben, dass sie Willens sind, in unserer Nachbarschaft zu leben, und dass sie den israelischen Staat anerkennen. Darüberhinaus müssen wir den Menschen die Möglichkeit geben, ihre Geschichten zu erzählen, damit die vielen Wunden wieder heilen können – auf beiden Seiten.

Was können wir hier tun?

Jeder Einzelne kann die Kriegsdienstverweigerer persönlich mit Briefen unterstützen oder Geld spenden. Vor allem aber müssen die Menschen in Deutschland verstehen: Pro-israelisch zu sein heißt, den Aufbau politischer Bindungen zwischen Israel und seinen Nachbarn zu unterstützen. Israels einzige Sicherheit liegt nicht im Kämpfen, sondern im Schaffen von Frieden. Außerdem muss Deutschland alle Waffenlieferungen an Israel einstellen. Wir brauchen keine Waffen hier. Fragen: hoi

Lothan Raz berichtet heute abend um 20 Uhr in der Bremer St.-Stephani-Gemeinde, Faulenstraße 108, über den israelisch-palästinensischen Konflikt, Kriegsdienstverweigerung und die Arbeit von Anti-Kriegsgruppen in Israel. Weitere Infos: www.connection-ev.de .