daumenkino: „Jimmy Neutron“
Einsam sein
Vielleicht denken Kinder so. Eben erst sind sämtliche Eltern von Aliens entführt worden, da haben die zurückgebliebenen Hänflinge einen Plan: Mit selbst gebauten Raumschiffen starten sie einen Gegenangriff – als „Elitetruppen“. Wären auf der Leinwand nicht Kaugummi kauende Viertklässler zu sehen, man würde meinen, George Bush habe im Krieg gegen das Böse gesprochen.
Tatsächlich ist der Animationsfilm „Jimmy Neutron – der mutige Erfinder“ von John A. Davis Weihnachten letzten Jahres in die US-Kinos gekommen. Als Figur existierte der kleine Junge mit dem Megabrain jedoch schon vorher in Comicmagazinen. Und auch der Rest der Geschichte hat wenig mit der allgemeinen Mobilmachung nach dem 11. September zu tun, die den Kinderhelden jetzt zum Patrioten zwischen Schulbank und Abenteuerspielplatz macht. Eigentlich ist „Jimmy Neutron“ eher eine Fortsetzung der „Jetsons“ mit den technischen Mitteln von „Toy Story“. Man lebt in einem Suburb der Zukunft, der sich nicht vom Hier und Jetzt im postmodernen Stilmischmasch des Durchschnittsamerika unterscheidet. Mutti ist eine brünette Doris-Day-Natur, der Vati trägt Beatnik-Koteletten, die Kinder fahren mit dem Schulbus und haben die gleichen Probleme wie Bart und Lisa in Springfield.
Nur Jimmy Neutron weiß es besser: Als Düsentrieb Junior entwirft er Raketen und Roboter, als aufstrebender Kybernetiker ist er am Austausch mit fernen Galaxien interessiert. Das ist viel Arbeit für ein zehnjähriges Kind und stimmt ein wenig traurig – wer mit selbst gebastelten Satelliten im Weltall nach Freunden sucht, muss ziemlich einsam sein. Doch zu viel Schwermut haben die Grafikdesigner vorgebeugt. Neutron springt Grimassen schneidend wie sonst nur Jim Carrey durchs Geschehen. Denn Kinder mögen Kinder in der Logik von Hollywood offenbar am liebsten als Parodie auf Kinder.
Dieser Überschwang hilft, als sich die Idylle in ein Szenario aus „Star Wars“ verwandelt. Plötzlich wirft sich Jimmy ins Zeug und begeistert seine ganzen Schulkameraden für das von ihm angeführte Rescue-Team. Der Showdown auf dem Planeten der Yokianer ist dann bloß noch eine sauber gepixelte Ballerspieleinlage. Gesungen wird auch, von Britney Spears, N’Sync und den Backstreet Boys. Das hilft bei der Zielgruppenbindung, die dazugehörigen Action-Puppen gibt es von Mattel.
HARALD FRICKE
„Jimmy Neutron – Der mutige Erfinder“. Regie: John A. Davis. USA 2001, 82 Min.
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