Schusseligkeit bringt Nerv

Wer Geld im Geldautomaten vergisst, bekommt es meist zurück. Wer vergessene Scheine einfach einsackt, indes leicht Scherereien  ■ Von Sonja Staack

Mit dem Mantel unterm Arm aus dem Büro gesprintet, aus dem Auto per Handy die Freundin angerufen: „Komme zehn Minuten später.“ Endlich, ein Parkplatz. Noch schnell zum Geldautomaten. Verdammt, das dauert, bis die Karte da wieder rauskommt. Das Handy klingelt „Wo bleibst du denn!“ Zack, da ist sie. Raus aus der Bank, rein ins Restaurant, geschafft. Nach dem gemütlichen Dinner dann der erschreckende Blick ins Portemonnaie: gähnende Leere. Ich hatte doch vorhin Geld aus dem Automaten geholt?

Früher vergaßen die KundInnen reihenweise ihre EC-Karten in den Geldautomaten. Die Banken tauschten daraufhin die Reihenfolge des Vorgangs: Wer heute abgelenkt aus der Bank stürmt, vergisst sein Geld. Das passiert doch nie? Von wegen! „Unsere Automaten sind inzwischen alle in der Lage, nicht entnommenes Geld wieder einzuziehen“, berichtet Thomas Kleyboldt von der Dresdner Bank. Außerdem warnt etwa 15 Sekunden vorher ein akustisches Signal vor dem Verschwinden der Scheine. Denn wenn der Automat das Geld erst mal geschluckt hat, kann es eine Weile dauern, bis man wieder rankommt.

„Es kann passieren, dass das Geld trotzdem abgebucht wird“, so Kerstin Lerch, Sprecherin der Postbank. In diesem Fall müssen die KundInnen warten, bis der Geldautomat neu gefüllt und ein Kassensturz gemacht wird. Anhand der Journalrolle, die alle Vorgänge im Automaten registriert, lässt sich eindeutig feststellen, ob das Geld entnommen wurde oder nicht, erklärt Lerch. „Bis die Rolle vorliegt, kann es aber schon mal eine Woche dauern.“ Schließlich hat die KundIn auch die Sorgfaltspflicht, meint Lerch, sich am Geldautomaten nicht ablenken zu lassen.

Auch bei der Haspa und der Deutschen Bank haben die KundInnen etwa 30 Sekunden Zeit, sein Geld zu entnehmen. Automaten der alten Generation, die das Geld in eine kleine Kiste ausspucken, gibt es hier nicht mehr. Die Haspa bucht das Geld auf Konten ihrer KundInnen automatisch zurück, weiß Pressereferent Ulrich Sommerfeld. Die Deutsche Bank wartet zunächst mal ab, ob das Geld überhaupt von KundInnen reklamiert wird. Dann ist die Rückbuchung „eine Sache von wenigen Tagen“, verspricht Sprecherin Anke Veil.

Unglücksraben, die einen schnellen Finger im Rücken haben, sehen ihr Geld vielleicht gar nicht wieder. Ihnen bleibt zwar die Möglichkeit, Anzeige gegen Unbekannt zu erstatten. Strafrechtlich liegt hier ein Fall von „Fundunterschlagung“ vor. Wer einer solchen Straftat überführt wird, muss mit einer Haftstrafe bis zu drei Jahren rechnen, so Rüdiger Bagger, Sprecher der Hamburger Staatsanwaltschaft.

Um die Suche zu erleichtern, sind die meisten Geldautomaten mit einer Videokamera ausgestattet, die die KundInnen beim Geldholen aufzeichnet. Sommerfeld gesteht: „Die Haspa guckt in jedem Fall nach, ob per Aufzeichnung festzustellen ist, wer das Geld genommen hat.“ Kerstin Lerch von der Postbank dagegen weiß: „Unsere Videoaufzeichnungen dürfen wir aus Datenschutzgründen nicht anschauen.“

Tatsächlich darf nur die Staatsanwaltschaft Gebrauch von den Bändern machen. Doch lohnt sich eigentlich der Aufwand? Eine Statistik über die Aufklärungsrate gibt es nicht. Und da die Banken im Automatenzeitalter immer seltener ihre Kundschaft noch persönlich kennen, dürfte die Erfolgsquote nicht besonders hoch sein.