„Wir Christen sind gar nicht so schlimm“

Wolfgang Klose, katholischer Vorsitzender der Vorbereitungsgruppe für den Kirchentag 2003, sieht die Ökumene in Berlin auf einem gutem Weg. Für einen „Tag der Religionen“ sieht er die Zeit aber noch lange nicht gekommen

taz: Herr Klose, Berlin gilt, das hat mal der Kölner Kardinal Meissner gesagt, als „gottlose Stadt“. Merkt man das beim Kontakt mit den Berlinern?

Wolfgang Klose: Ganz im Gegenteil. Wir haben bei beiden Konfessionen gute Gesprächspartner und Ansatzpunkte. Dies Wort „gottlose Stadt“ ist ja auch von uns Berlinern nicht unbeantwortet geblieben. Wir haben da eine andere Wahrnehmung. Wir erfahren bei der Vorbereitung des Kirchentages sehr viel Interesse und Unterstützung.

Der Prozentsatz der Nichtgläubigen ist in Berlin überproportional hoch. Warum sollten diese Leute eigentlich Interesse am Kirchentag haben?

Wir wollen zeigen, dass Christen trotz der Konfessionsgrenzen gut zusammen arbeiten können. Zudem: Sich nicht zu einer Kirche zu bekennen bedeutet nicht, nicht an einen Gott zu glauben. Auch für die, die gar nicht glauben, kann es spannend werden, von dem Ereignis etwas zu schnuppern, Kontakt aufzunehmen und zu merken, dass Christinnen und Christen – salopp gesagt – eigentlich gar nicht so schlimm sind.

Der Ökumenische Kirchentag ist, innerchristlich gesehen, etwas Außergewöhnliches: Wie wollen Sie verhindern, dass der Kirchentag sich zu wenig nach außen wendet?

Da bin ich guter Dinge, da wir schon in der Vorbereitung verschiedene Schwerpunkte gebildet haben. Es gibt zwei Themenbereiche, die sich um Innerkirchliches drehen, aber auch zwei, die die Verantwortung in der Welt behandeln. Das Spannungsfeld, nach innen und nach außen zu wirken, wird durch die Angebote verwirklicht.

Es gab ja in den vergangenen Jahren einige christliche Großveranstaltungen in Berlin. Manche verpufften regelrecht in dieser großen Stadt. Droht das dem Kirchentag auch?

Die erwarteten Kirchentagsbesucher – mindestens 100.000 – werden ein Element der Gäste der Stadt sein. Ich habe nicht den Anspruch, dass alle nur auf uns gucken. Es werden auch 70.000 Fußballfans im Olympiastadion sein. Aber die werden sich schon gut miteinander vertragen.

Der interreligiöse Dialog istnach dem 11. September wichtiger geworden. Wurde das berücksichtigt?

Dieser Dialog war natürlich schon vor dem 11. September geplant. Zudem hatten Protestanten und Katholiken schon zuvor viele Kontakte mit Muslimen und Juden in der Stadt.

Seit Beginn der Planung, seit 1996, gab es einige Rückschläge für die Ökumene. Der gravierendste war wohl das Papier von Kardinal Ratzinger von der Glaubenskongregation in Rom. Darin sprach er den protestantischen Kirchen das Kirche-Sein ab. Ist das noch ein Problem in der Zusammenarbeit für den Kirchentag?

Nein. Es wurde damals, als das Papier veröffentlicht wurde, sehr intensiv auf verschiedenen Ebenen darüber gesprochen. Bei meiner Arbeit im Trägerverein hat das überhaupt nicht zu Dissens geführt. In Berlin wird die Ökumene schon seit vielen Jahren sehr gut gelebt – insofern war es ein Glücksgriff, mit dem Ökumenischen Kirchentag hierher zu kommen.

Das ursprünglich gewollte gemeinsame Abendmahl wird es wohl nicht geben.

Das war für mich nie das Wichtigste. Wir haben oder werden Formen finden, die allen Konfessionen gerecht werden.

Fehlt den Laien der Mut, es einfach zu feiern?

Aus katholischer Sicht geantwortet: Das ist keine Frage des Mutes. Die Frage ist vielmehr, wie wir unseren Katholizismus verstehen. Wir sind eine Weltkirche – und wie bei der Eröffnung unseres Büros gesagt wurde: Wenn wir einen Graben zuschütten zwischen evangelisch und katholisch, aber dadurch einen neuen innerkatholischen aufwerfen, ist keinem geholfen.

Sollte es künftig nur noch Ökumenische Kirchentage geben?

Man sollte erst einmal abwarten, wie dieser Tag verlaufen wird. Aber perspektivisch sollten wir einen zweiten Ökumenischen Kirchentag anstreben.

Wann wird es einen „Tag der Religionen“ geben?

So weit will ich noch gar nicht springen. Ich bin schon froh, wenn wir mit den beiden großen christlichen Konfessionen und den anderen christlichen Kirchen zusammenarbeiten und miteinander umgehen. Da ist schon viel geholfen. Wann wir das mit allen Religionen machen: Da müssen wir alle noch ein wenig miteinander arbeiten.

INTERVIEW: PHILLIP GESSLER

Wolfgang Klose, der katholische Vorsitzende der Vereins „Ökumenischer Kirchentag Berlin 2003“, ist hauptberuflich Direktor der Berliner Pax-Bank