piwik no script img

Die drei von der Tankstelle

Norbert Thies, Ralf Klever und Andreas Berg sind für die taz-Software zuständig. Das Trio hat das Redaktionssystem der taz entwickelt. Auf Linux-Basis. Und das ist vor allem eine Glaubensfrage

von FELIX LEE

Auf den Bildschirmen der taz-Redakteure tanzen die Pinguine. Das hat sich Norbert Thies einfallen lassen: „Ein kleiner Gag“, sagt er und grinst. Zu Norbert Thies gehören noch Ralf Klever und Andreas Berg: Das Trio hat das Redaktionssystem der taz komplett in Eigenregie entwickelt. Ein unzertrennliches Trio. Weshalb es in Anlehnung an Heinz Rühmann in der taz früh hieß: „Ah, die drei von der Tankstelle.“

Die Pinguine auf den PC-Bildschirmen sind nicht nur Gag, sondern auch dem Linux-Betriebssystem entlehnt, dessen Maskottchen ebenfalls ein Pinguin ist. Und das ist das Besondere am taz-Redaktionssystem: Während in anderen Zeitungsredaktionen von einem Systemhaus ein Redaktionssystem als Art Komplettlösung für viel Geld eingekauft wird, leistet die taz sich für deutlich weniger Geld ihre eigenen Softwareentwickler. Eben dank Linux. Und da die taz seit ihrem Bestehen stets die Nähe zu politischen Bewegungen gesucht hat, verdient das von der taz genutzte Betriebssystem eine genaue Betrachtung. Denn Linux ist nicht nur kostengünstig, Linux ist auch eine politische, eine freigeistige Bewegung.

Die drei EDV-Informatiker gehören zu den Urgesteinen der taz-Belegschaft, die von sich behaupten können, mehrere Revolutionen miterlebt zu haben – auch wenn die Umwälzungen sich mehr auf dem Bildschirm abgespielt haben als in der Außenwelt. Als Informatiker kam Thies 1987 als Erstes zur taz. „Damals war ich froh, nichts mit PCs zu tun zu haben“, erinnert er sich. Mit guten Gründen: Denn noch Ende der Achtzigerjahre basierte die Software auf Betriebssystemen der ersten, äußerst leistungsschwachen Prozessoren. „Mit Softwareentwicklung hatte das damals wenig zu tun“, sagt Thies. Softwareentwicklung war zu dieser Zeit nur auf Minirechnern zu bewerkstelligen – diese aber kosteten 100.000 Mark. Universitäten beispielsweise hatten solche Minirechner – also existierten dort auch die ersten „Open-Group-Standards“ – anspruchsvolle Betriebssysteme, auf denen man fern aller kapitalistischen Bestrebungen eines Bill Gates Software lizenzfrei untereinander austauschen konnte.

Zwar wurden die Prozessoren und Festspeicher schnell kleiner, zeitgleich zu den immer leistungsfähigeren PCs begann aber auch der Siegeszug von Microsoft. Denn anders als die austauschbare „Open Source“-Software, die jedem Softwareentwickler kostenlos zur Verfügung stand, brachte Bill Gates’ Microsoft-Firma die Software DOS und später dann Windows auf den Markt – gegen Lizenzgebühren und ohne Offenlegung der Quellen.

Dem konnte sich selbst die taz zunächst nicht entziehen. Denn in ein eigenes Redaktionssystem zu investieren, wie es viele Zeitungsverlage für viele Millionen Mark in dieser Zeit machten, das konnte sich die tageszeitung nicht leisten. „Das war die Zeit, in der ich begann, Microsoft zu hassen“, erinnert sich Klever. Spezielle Bedürfnisse der Redakteure konnten – wenn überhaupt – nur für viel Geld erfüllt werden.

Zum ersten Mal kam die EDV-Abteilung der taz im Jahre 1995 mit Linux in Berührung. Für die taz bot Linux zum ersten Mal die Möglichkeit, für wenig Geld ein völlig eigenständiges Redaktionssystem zu entwickeln. Inspiriert durch das Betriebssystem Unix hatte Anfang der Neunzigerjahre der junge Finne Linus Torvalds ein Betriebssystem entwickelt, das nicht nur allen kostenlos zur Verfügung stand, sondern in dem auch alle Schnittstellen der entwickelten Software und deren Quellenverzeichnisse jedem offen zugänglich waren und ausgetauscht werden konnten. Nach und nach stellte das Team die gesamte Redaktion auf Linux um.

Inzwischen hat sich jeder Redakteur an Linux gewöhnt, und auch Praktikanten und neue Mitarbeiter bei der taz sind schnell in das Redaktionssystem eingearbeitet. Trotzdem geht die Entwicklung des Systems weiter. So haben die „Tankwarte“ beispielsweise ein spezielles Protokoll installiert, so dass auch die Angestellten der deutschen Forschungsstation am Südpol mit ihrer speziellen technischen Ausrüstung täglich die taz im Internet lesen können – und zwar trotz dünner Funkverbindung. Und gerade stellt das Trio die taz-Lokalredaktionen in Hamburg und Bremen komplett auf ein neues Redaktionssystem um. Für das alte waren Thies, Klever und Berg übrigens auch schon verantwortlich.

Doch wie so häufig in technisch etwas komplizierteren Gebieten stellt sich die Frage, ob denn das über Jahre ausgetüftelte Redaktionssystem und die Softwareentwicklung der drei Computerfreaks auch von anderen Mitarbeitern beherrscht werden kann. Thies wiegelt ab. Sie hätten gar nicht das Interesse, ihr Wissen für sich zu behalten und damit unersetzbar zu sein. „Immerhin wollen wir auch mal in den Urlaub fahren.“ Und auch dann sollen die Pinguine ja weiter tanzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen