: Liebe bis zur nächsten Tankstelle
Verlierer in Hochzeitshotels, Molotowcocktails in Baumkronen, UDA-Kämpfer im Waffenstillstand: Bei der Filmreihe „Britspotting“ zum New British Cinema scheitern die Helden am Frieden, an der Liebe und am Kleinstadtwahnsinn
„Willst du mich heiraten?“ Nein, lieber nicht, meint die Angebetete. Das kleine Orchester, das Gérard zum Flughafen bestellt hat, plärrt trotzdem los, weil er seinen Blumenstrauß gehoben hat. Auf dem Klo trifft der (weiße) Franzose den schüchternen, ungelenken (schwarzen) George. Eine Komödie um zwei Männer entwickelt sich, denn George, der große Junge mit der schweren Plastikbrille, hat seiner Verwandtschaft versprochen, seine Jugendfreundin aus Nigeria zu heiraten. Die er ewig nicht gesehen hat.
George und Gérard – eine idealtypische Paarung zweier Unglücklicher. „Jump tomorrow!“, ruft George dem verzweifelten neuen Freund zu, als der sich gerade vom Dach eines Hochhauses stürzen will. Dieser absurde Vorschlag rettet den Lebensmüden, weil er lachen muss. Und so können sich die beiden durch ein liebreizendes Roadmovie manövrieren. Zu orgelndem Sixties-Swing kommen sie in Wohnungen mit psychedelischer Wandbemalung und Kugelsesseln. Die Ausstattung und der Soundtrack sind teilweise Retro, dann hören wir plötzlich die Eels. Die Autos – vor allem die Amour I, der Citroën DS, die Göttin unter den französischen Wagen, mit der George und Gérard rumkurven, fahren komischerweise auf der rechten Straßenseite.
So verrückt und verwirrend kann der britische Film sein – manchmal, wie hier, spielt er in den USA. „Tonight we are tigers“, sagt Gérard, in einem riesigen Plexiglas-Sektkelch sitzend, während George neben ihm auf einem mechanischem Bett durchgerüttelt wird, nachdem die beiden in einem kitschigen Wedding Hotel eingecheckt haben, um Alicia aus Spanien für George zu überzeugen. Dazu muss George den besonderen Service der Lederkluftfrau Heather Leather über sich ergehen lassen, um Alicia eifersüchtig zu machen. Liebe wird „überbewertet“, meint der unglückliche Franzose – das hilft auch nur bis zur nächsten Tankstelle.
Weniger leichtfüßig ist dieser Film: In „My Brother Tom“ werfen Kids ihrem „deffen“ Kumpel, der gerade in einen Baum geklettert ist, Molotowcocktails ins Geäst, um ihn zu erschrecken. Tom ist auch in seiner Schuluniform noch der typische Outcast, der soziale Außenseiter der Kleinstadt, der immer auf die Fresse bekommt, wenn es Prügel zu verteilen gibt. Das Mädchen Jessica verliebt sich in Tom und die beiden ziehen sich in den städtischen Wald zurück. „It’s a jungle out there“, diese antiurbane Geste ist natürlich zum Scheitern verurteilt.
Von den Problemen des Friedens nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs handelt „As The Beast Sleeps“. Regisseur Harry Bradbeer entwirft ein Panorama Nordirlands der Post-Warlords. Die Männer der UDA, eines militanten Vereins von protestantischen Kleinkriminellen, die sich für Freiheitskämpfer und Rebellen gehalten haben, solange man andere terrorisieren konnte, sind ziemlich aufgeschmissen, als ihr Chef erklärt, dass ab sofort „Waffenstillstand“ herrsche. Damit können die Männer überhaupt nicht umgehen.
ANDREAS BECKER
„As The Beast Sleeps“ läuft heute noch um 18 Uhr im Acud, Veteranenstraße 21
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