Disko-Monarchin unter Starkstrom

Mondän, worldwide: Im ColumbiaFritz demonstrierte Angélique Kidjo, wie man selbst eine Nichtraucherparty in Schwung bringen kann. Anders als ihr Vorbild Miriam Makeba ist die Sängerin aus Benin allein Botschafterin in Sachen gute Laune

von DANIEL BAX

Schnell noch eine rauchen! Eine Menge Leute zünden sich vor der Halle noch rasch eine letzte Kippe an, bevor das Konzert beginnt. Denn: „Drinnen darf nicht geraucht werden“, wie sich die Türsteher vom ColumbiaFritz jedem Besucher zu erklären beeilen, der am Freitagabend zum Konzert von Angélique Kidjo will. Später wird die Sängerin über den Grund für das rigide Rauchverbot aufklären: Sie leidet an Asthma, und das Nikotin schlägt ihr auf die Lungen.

Manche mögen Konzerte ohne Zigarettenrauch steril finden. Aber Angélique Kidjo mag es ohnehin lieber ordentlich und keimfrei: Kaum hat sie die Bühne betreten und eine herrenlose Tasse erspäht, die irgendwer auf einer der Boxen am Bühnenrand vergessen hat, greift sie sich das störende Objekt und reicht es kopfschüttelnd an einen Roadie weiter, der das Corpus Delicti entfernt.

Damit ist die Bühne bereit für ihren Auftritt. Als hätte sie eben noch die Finger in die Steckdose gesteckt und sich mit Starkstrom aufgeladen, wirbelt Angélique Kidjo über das Parkett, in ärmellosem Glitzertop und blondierter Kurzhaarfrisur ganz afrikanische Disko-Monarchin in ihrem Element.

Gleich zu Beginn legt sie den Dance-Hit „Batonga“ vor, mit dem sie vor zehn Jahren erstmals international bekannt wurde. Seit dieser Zeit hat sich die Sängerin aus dem westafrikanischen Kleinstaat Benin einen festen Nischenplatz im globalen Popbetrieb erspielt und gilt schon seit Jahren unangefochten als kommerziell erfolgreichster weiblicher Exportstar des Kontinents. Als solcher pendelt die Kosmopolitin bevorzugt zwischen Paris, New York und Westafrika, was sich nicht nur in ihrer Musik widerspiegelt, sondern auch in ihrem Selbstverständnis als Frau von Welt: Die Hände in die Hüften gestemmt, plaudert sie mondän von ihrer jüngsten Shopping-Tour in Berlin, die sie ins KaDeWe geführt habe, doch ach, dort sei alles so teuer gewesen. Sagt sie und fügt an, sie sei schließlich im weltweiten Preisvergleich geübt!

Geübt ist Angélique Kidjo auch im globalen Stil-Shopping: Schon immer verband sie in ihren Songs afrikanische Dancefloor-Moden wie Soukous und Makossa scheinbar mühelos mit Funk und US-Soul, und immer mehr bedient sie sich nun für ihren weltumgreifenden Crossover-Pop ausgiebig in allen Teilen der afrikanischen Diaspora. Hatte sie mit ihrem letzten Album einen Ausflug in Richtung R&B unternommen und so eine Verbindung vom urbanen Afrika zu den USA hergestellt, so hat sie sich für ihr jüngstes Album, „Black Ivory Soul“, vorwiegend in Brasilien nach frischen Ideen umgeschaut. Prasselnde Samba-Percussion schlägt denn auch allenthalben durch, nicht nur im Stück „Bahia“ von Gilberto Gil, mit dem sie dem brasilianischen Star ihren Respekt bezeugt. Die eher chansonesken Balladen dagegen, die sie mittendrin in ihr Konzertprogramm einflicht, sorgen zwar für eine kleine Atempause, aber auch für ein wenig Langeweile im Saal.

Etwas harmlos und beliebig ist Angélique Kidjos Stilpotpourri manchmal, aber dafür auch sehr konsensfähig. Anders als andere afrikanische Sängerinnen ihrer Generation fühlt sich Angélique Kidjo nicht übermäßig einem lokalen Erbe oder einer bestimmten Tradition verpflichtet; ihr Ort ist die globale Tanzfläche. Und anders als ihr erklärtes Idol Miriam Makeba sieht sie sich in ihren weltumspannenden Bemühungen auch nicht als politische Botschafterin des Kontinents: Sie will nur Botschafterin der guten Laune sein.

Das aber gelingt ihr ohne Umstände. So vielfältig wie ihre musikalischen Einflüsse, so heterogen ist auch das Publikum, das Angélique Kidjo anzuziehen vermag: Von hippiesk angehauchten Studentinnen mit Rastafrisur über ganz durschnittliche Radio-Eins-Hörer bis hin zu stämmigen Afrikanern im schicken Businessanzug reicht das Spektrum im fast ausverkauften ColumbiaFritz – auch ein Zeichen dafür, wie weit verbreitet und selbstverständlich die Aufmerksamkeit für afrikanische Musik in Berlin ist.

Als Angélique Kidjo gegen Ende ihres knapp dreistündigen Konzerts zwei dutzend Zuschauer auf die Bühne bittet, wie das afrikanische Künstler recht gerne machen, da erinnert die heterogene Versammlung in ihrer benettonhaften Anmutung zwar ein wenig an die Abschlussparty eines Töpferkurses. Einer der Auserwählten führt dann auch erwartungsgemäß vor, was er im Afrotanzworkshop gelernt hat, doch Angélique Kidjo weiß souverän damit umzugehen: Mit flatternden Schultern gibt sie ihrem Tanzpartner cool Kontra und lässt sich das Zepter nicht aus der Hand nehmen.

Zur Zugabe lässt sie es sich nicht nehmen, zum Abschluss noch einmal den ganzen Saal abzuschreiten, mitten durchs Publikum, um raumgreifend noch den letzten Winkel zum Tanzen zu bringen.

Es gelingt ihr annähernd. Nur selten wohl ist eine Nichtraucherparty doch noch derart in Schwung gekommen.