Familienangelegenheiten

■ Farbenfrohes Spektakel, dargeboten im Krankenpfleger-Outfit: „Danielson Famile“ spielt Lo-Fi-Folk-Pop für Kardinal Ratzinger und andere Indie-Rocker

Acht Jahre ist es her, da gründeten die fünf Kinder von Mr. und Mrs. Smith aus Clarksboro, New Jersey, eine christliche Rockband. Der Sexappeal des Anfangs dieser Geschichte hält sich in Grenzen. Da mag auch der flache Wortwitz der Doktorspiele nicht recht helfen, nur weil die Kinder der Smith, die den Bandnamen Danielson Famile wählten, sich in ein Bühnenoutfit kleiden, das den weißen Uniformen krankenhäuslichen Pflegepersonals gleicht.

Trotz misslicher Voraussetzungen für eine Karriere in der Indie-Branche wird die Danielson Famile nach fünf Alben und ausgiebigen US-Touren inzwischen als hoffnungsvoller Erneuerer eines von sich selbst gelangweilten Genres gehandelt. Das liegt am juvenilen Enthusiasmus, mit dem die jungen Leute zwischen 18 und 30 ans Werk gehen. Und an ihrem ungewöhnlichen Sound. Den muss man sich etwa so vorstellen, als würde ein zünftiger Spielmannszug in den 20er Jahren die Musik zu einem Karussell auf Coney Island spielen. Flöten mischen sich da in die Sounds eines Xylophons und einer Kirmesorgel, und ein Banjo perlt, während ein wirres Dickicht etlicher weiterer Instrumente mit gut gelauntem Ram-Tam-Tam seine Kreise dreht.

In den besten Momenten erwächst aus diesem farbenfrohen Spektakel eine glückliche und facettenreiche Pop-Eufonie, die ein breites Grinsen auf zuhörende Münder zeichnet. Jedenfalls dann, wenn diese zu Ohren gehören, die nicht allergisch auf Falsett-Gesang reagieren. Denn ein solcher dominiert nahezu jedes Stück der Danielson Famile. Er stammt aus der Kehle von Daniel Smith, dem ältes-ten Sohn der Familie. Zugleich ist er der Kopf der Band.

Sein ursprünglicher Impetus, die Danielson Famile zusammenzuführen, war, anders als es die heutigen religiösen Unter- und Obertöne vermuten lassen, ein sehr weltlicher: Er wollte auf möglichst angenehme Art sein Abschlussprojekt an der Kunsthochschule hinter sich bringen. Er schrieb daher 24 Lieder, nannte sie „prayers for every hour“ und führte sie mit seinen Geschwistern auf. „Ich bekam eine 1“, erinnert sich Daniel Smith noch heute mit freudiger Nostalgie. Kein Wunder, schließlich intonierte die ganze Familie seit Daniels frühes-ter Jugend mit verschiedenen Instrumenten die Gospel-Folk-Songs des Vaters.

Dank des Einflusses von Bob Dylan, Sonic Youth und einigen anderen, ist daraus inzwischen exzentrischer Indie-Folk-Pop geworden, wie ihn auch Bands aus dem Elephant 6-Umfeld spielen und dessen Melodien gerne an Stereolab erinnern. Auch wenn die unironischen Hallelujah-Refrains gelegentlich etwas irritieren können, die hochgradig unterhaltenden Arrangements dieses Familien-Karnevals lassen darüber hinwegsehen. Meine Musik, so Daniel Smith, ist ein Geschenk, das Gott mir gab, damit ich es mit Gläubigen und Nicht-Gläubigen teile. Gregor Kessler

heute, 21 Uhr, Molotow