: Falsch beraten? Sparkasse widerspricht
■ Sparkassen-Berater ist „spielsüchtig“, sagt sein Anwalt. Kunden klagen über Verluste
In einer Pressekonferenz haben die Anwälte von Geldanlegern ges-tern die Vorwürfe gegen die Bremer Sparkasse präzisiert: Das Geldinstitut soll aufgrund mangelhafter Beratung für einige Kursverluste seit Frühjahr 2000 (vgl. taz 23.4.) haftbar gemacht werden.
Der frühere Sparkassen-Anlageberater Sönke Liebig etwa, der auch privat mit geliehenem Geld auf hoch spekulative Anlagen gesetzt hat, stand im Mai 2001 mit einem Minus von einer Million Mark da, teilt sein Anwalt mit. Liebig, der heute für eine Schweizer Wertpapieranlage-Beratungsgesellschaft tätig ist, hatte über einige Jahre sehr erfolgreich die Sparkassen-Kunden bei Anlagegeschäften beraten. Er sei aber im Grunde „spielsüchtig“, schreibt nun sein Anwalt. Nachts um drei Uhr habe er die japanische Börse im Fernsehen verfolgt und im Urlaub Kundengespräche für 1.000 Mark geführt. „Ich war der Guru“, stellt Liebig inzwischen seine damalige Rolle dar. Sein Anwalt Peter Hahn trug gestern die Beschwerden von ehemaligen Sparkassen-Kunden vor, denen zum Teil von Liebig zu ähnlich spekulativen Anlagen geraten worden war.
In der Fernsehsendung „Wiso“ hat eine Bremer Optikerin sich als Opfer mangelhafter Sparkassen-Beratung dargestellt. Die Frau habe verschwiegen, dass sie vorher mit ihren Wertpapier-Spekulationen die vielfache Summe gewonnen habe, konterte jetzt Sparkassen-Vorstand Herbert Wieneke. „Da sehen einige Anwälte ein Geschäft für sich“, erklärte der Justitiar der Sparkasse, Wolfgang Götz. Die Berliner Anwälte Tilp&Kälberer hätten vor Monaten schon einen Brief geschrieben, in dem sie 6,3 Millionen Mark für ihren Mandanten gefordert hätten, mit der Drohung, eine öffentliche Kampagne gegen die Sparkasse zu starten, falls die Sparkasse nicht einlenke und zahle. Dieses ungewöhnliche Verfahren deute darauf hin, dass die Anwälte sich bei ihren juristischen Argumenten nicht so sicher seien, meinte der Sparkassen-Jurist: „Bisher haben sie keinen Prozess gewonnen.“
Jeder einzelne Fall würde inzwischen von der Sparkasse überprüft. Die Liebig-Kunden, die jetzt von ihren Anwälten in die Öffentlichkeit gebracht würden, seien aber erfahrene Profis an der Börse gewesen. Die Optikerin zum Beispiel führe das Geschäft, in dem die Frau von Anlageberater Liebig beschäftigt sei. Auch andere aus seinem Bekanntenkreis hat Liebig in seinen Ruin hineingerissen.
Das erste Gerichtsverfahren ist Mitte Juni Sparkassen-Justitiar Götz ist zuversichtlich, dass die Klagen gegen die Sparkasse vor Gericht keine Chance haben.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen