Studierende auf Sponsorenjagd

Weil ihnen die Uni nicht genug Seminare bietet, sammeln Hamburger LehrerstudentInnen Geld für ihre Dozenten

„Ich will die Scheine schnell machen. Denn irgendwann kommen doch die Gebühren“

HAMBURG taz ■ So könnten akademische Titel künftig aussehen: Diplom-Betriebswirt (Otto-Versand), Tchibo M. A. Anglistik. Neben dem Siegel der Hochschule werden sich Marken breit machen. Denn immer häufiger springen Unternehmen in die Lücken, die der Staat reißt, auch beim Lehren und Lernen.

In Hamburg flüchten sich Studierende des Fachbereichs Erziehungswissenschaften aus ihrer verzweifelte Lage, indem sie sich Sponsoren suchen. Sie wollen so die Seminare finanzieren helfen, die sie dringend brauchen, die Universität ihnen aber nicht zur Verfügung stellt. Die Studis haben bereits Kontakt zu Hamburger Unternehmen geknüpft, die bereit sind die Gehälter für Lehrbeauftragte zu bezahlen – um Fehlzeiten im Hamburger Lehrerstudium auszugleichen.

Das Problem ist ein allgemeines: Nachdem Bildungspolitiker – viel zu spät – bemerkt haben, dass in den kommenden Jahren ein großer Teil der deutschen Lehrer pensioniert wird, haben sie hektisch den Ruf nach neuen Pädagogen verbreiten lassen. Bei den jungen Menschen ist er angekommen – etwa in Hamburg. Im Fachbereich Erziehungswissenschaften der Universität haben sich vergangenes Wintersemester 1.200 Erstsemester für 600 Plätze eingeschrieben. Die Uni hatte zuvor den Numerus clausus für das Fach aufgehoben.

Die Uni bekommt nun aber für die zusätzlich zugelassenen Lehrerstudis keinen Cent von der Wissenschaftbehörde. Daher wollte der Fachbereich zum Sommersemester gar keine Neulinge mehr zulassen. Auf Druck der Wissenschaftsbehörde schrieb die Uni dann doch 400 ein – und startete mit einem Defizit von 40 Veranstaltungen ins Semester. Statt 30 bis 40 interessieren sich bis zu 100 Menschen für ein Seminar, bei Pflichtveranstaltung manchmal 300. „Uns fehlen 13 Stellen, Personalmittel in Höhe von 877.000 Euro und 245 Quadratmeter“, klagt Dekan Meinert Meyer.

Im Spagat zwischen Qualität und Quantität entschließt sich die Fachbereichsleitung zu drastischen Maßnahmen: Bei einzelnen Veranstaltungen entscheidet das Los über die Teilnahme. „Wer Kinder hat, Bafög bekommt“, berichtet Alexandra Bauer, „der gilt als Härtefall.“. Weil sie weder Kinder, weite Anreise noch Bafög hat, ist sie aus zwei Seminaren rausgeflogen, eine Kommilitonin sogar aus sechs. „Ich brauch die Seminare, ich will die Scheine so schnell wie möglich machen. Denn irgendwann kommen doch die Studiengebühren“, sagt sie.

Der Dekan des Fachbereichs ist selber mit der Regelung nicht glücklich. Um sie zu beheben, hat er die Studierenden ausdrücklich ermuntert, gegen die Teilnahmebeschränkungen zu klagen. Viele Studierende fühlen sich dadurch instrumentalisiert. „Wir haben das Gefühl, dass wir auf die Straße gehen sollen, aber das wollen die meisten nicht“, sagt Alexandra Bauer. Sie wollen studieren statt zu protestieren. „Wenn die IG Metall streikt, dann schadet das jemandem, wenn wir streiken, dann tut das nur uns selber weh“, sagt sie.

Als ein Dozent ihnen anbot, das völlig überfüllte Hauptseminar zum Lesen- und Schreibenlernen zusätzlich anzubieten, begannen 30 Studierenden ernsthaft darüber nachzudenken, wie sie die erforderlichen 1.200 Euro zusammenbekommen. „Erst wollten wir mit Sammelbüchsen auf den Rathausmarkt gehen, aber das war uns dann doch zu peinlich“, erzählt die Studentin. Dann kam die Idee mit den Unternehmen.

Für die Studierenden ist die Aktion nicht nur die Lösung ihrer aktuellen Problems, sondern auch ein Signal. „Damit man außen mal sieht, was hier los ist.“ Dabei ist die Notlösung der Studierenden vermutlich genau das, was der parteilose Wissenschaftssenator Jörg Dräger gut findet. Er schwärmt von Public Private Partnership. Geld von außen in die Uni zu holen, findet er gut. SANDRA WILSDORF