Tauchkäfer als Hollerland-Retter?

■ Der Bruder des Schlammpeitzgers: Im Hollerland wurde ein super-seltener Tauchkäfer gesichtet. Brüssel fragt schon nach dem Befinden des 15-Millimeter-Viechs

Das Hollerland hat einen neuen Bewohner. Einen super-seltenen Käfer, der als höchst schützenswert gilt: Graphoderus bilineatus oder schmalbindiger Breitflügel-Tauchkäfer. Der Bremer Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat ihn bereits dem EU-Kommissar für Naturschutz gemeldet. Er wird die Chancen erhöhen, dass das Hollerland in die Liste jener Naturschutzgebiete aufgenommen wird, die Europa wie ein Netz umspannen sollen – um selten gewordene Tiere und Pflanzen vor der völligen Ausrottung zu bewahren. Lebewesen wie den Graphoderus bilineatus, dem überdüngte Gewässer besonders zusetzen.

Eigentlich ist der Winzling ein Tümpel-Tier. Doch vor drei Jahren tauchte er in einem Bremer Graben auf – ausgerechnet im umkämpften Naturschutzgebiet Westliches Hollerland, von dem der Bremer Senat vor zwei Jahren beschloss, es nicht nach Brüssel zu melden. Gesetzesbrecherisch, wie Umweltschützer schon lange klagen. Doch die CDU besteht weiter darauf, den uninahen Technologiepark ins Hollerland auszudehnen.

Was Normalbürger für eine Überraschung halten – dass im ausgiebig erforschten Hollerland noch etwas Neues entdeckt wird – ist für Biologen Alltag. „So ist die Natur“, zuckt Klaus Handke die Schultern. „Der Käfer fliegt ja.“ Handke ist Vorsitzender des Bremer Naturschutzbeirates und glaubt, dass noch manche Überraschung in den Hollerlandgräben schlummert, wo der bronzefarbene Graphoderus sich in drei Jahren zu einer veritablen Kolonie entwickelt hat, die mittlerweile mehrere Gräben besiedelt – während der Breitflügelkäfer im übrigen Deutschland immer seltener wird. Er steht auf der roten Liste.

Dass auch die Europäischen Naturschützer ihn für wichtig halten, geht aus einem aktuellen Schreiben an die Bundesregierung hervor. Darin fordern die Brüsseler, ihnen zu Arterhaltungszwecken zu melden, wo der Graphoderus bilineatus in der Küstenregion Deutschlands vorkommt – der sogenannten atlantischen Region, zu der Bremen zählt. Das Schreiben gilt als Vorbereitung eines Treffens oberster deutscher Naturschützer im Juni in Frankfurt. Dabei geht es um die Frage, welche Flora- und Fauna-Vorkommen in der europäischen Atlantik-Region unter höchsten europäischen Schutz gestellt werden sollen. Das birgt Sprengstoff.

Zwar ist der Käfer nur 15 Millimeter groß. Klein also, verglichen mit dem ebenfalls als schützenswert eingestuften Grabenfisch Schlammpeitzger, den zuletzt Bürgermeister Henning Scherf (SPD) mit einer Art Entsorgungsidee in die Schlagzeilen brachte: Hechte sollten doch den Peitzger essen – und der Koalitionsstreit ums Hollerland würde auf quasi natürliche Art gelöst. Den kleinen Breitflügler würde ein Hecht übrigens auch fressen. Schlagzeilenträchtig ist er aber – trotz seines schwergängigen Familiennamens Breitflügel-Tauchkäfer –, weil er so selten ist. Denn in der deutschen Atlantik-Region kommt er außer im Hollerland nur in Schleswig-Holstein vor, wo er zuletzt vor zehn Jahren gesichtet wurde.

Damit dürften Tauchkäfer samt Hollerland künftig ziemlich weit oben auf der europäischen Schutzliste rangieren, selbst wenn das Tierchen in der sogenannten kontinentalen Zone noch an verschiedenen anderen Stellen vorkommt – in Mecklenburg Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt beispielsweise. Aber „kontinental“, das ist eben eine andere Schutzzone als „atlantisch“, ein anderes natürliches Umfeld, sagen Umweltexperten. Klartext: Deutschland wird in Brüssel nicht vorschlagen können, statt des bremischen Flachflüglers doch lieber den sächsischen zu schützen. Wann die Naturschutzentscheidungen allerdings fallen, ist noch offen.

Eva Rhode