Frischhaltefolie für Kunst

Den „absonderlichen Glaskasten“ werde er nie genehmigen, hatte Bausenator Klemann einst verkündet. Wer hätte das gedacht? Nach langem Streit feiert die Akademie der Künste heute Richtfest

von JAN ROSENKRANZ

Wenn sich unsere Nachbarn von San Francisco bis Wladiwostok gut miteinander vertragen, „dann wird unser Stammhaus mit Gottes Hilfe von niemandem noch einmal bombardiert“. Das hatte sich György Konrád, Präsident der Akademie der Künste, bei der Grundsteinlegung im Mai 2000 gewünscht. Vielleicht auch, weil er niemandem wünscht, diesen Bauwahnsinn noch einmal erleben zu müssen.

Gut, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. Aber in der Zeit, die verstrichen ist, bis heute endlich die Richtkrone abhebt, hätte man halb Rom erbauen können.

Denn für den Entwurf der Architekten Günter Behnisch mit Partner und Werner Durth hatte sich die Akademie bereits im Mai 1994 entschieden. Die waren wild entschlossen, die historischen Reliquien der alten Akademie durch Riesenschaufenster zurück auf den Platz zu holen und umgekehrt. Krieg und Abriss hatten nur die alten Ausstellungshallen von 1907 übrig gelassen. Wie Frischhaltefolie soll sich der transparente Neubau nun um den alten Kern legen.

Nur: Der Senat fand zunächst wenig Gefallen an dieser Lösung, hatte er doch strikte Vorgaben gemacht: Fensterformat, sichtbare Geschossteilung und höchstens 50 Prozent Glasanteil. Bausenator Jürgen Klemann (CDU) sah rot. Einen derart „absonderlichen Glaskasten“ werde er nicht genehmigen, hatte er schon bei seinem Amtsantritt verkündet. Nur waren die Architekten auch zu keiner Änderung bereit.

Und so tobte über lange Jahre ein beispielloser bauideologischer Krieg, an dessen Ende man sich im Januar 1999 einigte – auf teilweise mattiertes Glas und ein Gitter, dass einen Hauch von Geschossstruktur vermittelt.

Eigentlich ist der Streit um die elegante Vitrine längst erledigt. Zumindest rein architektonisch, finanziell offenbar nicht. Anfang der Woche erinnerte Kultursenator Flierl (PDS), die Fertigstellung des Hauses sei keineswegs gesichert. Auch für die Erstausstattung gebe es noch keine Zusagen. Alles in allem wurden hier einmal mehr „Entscheidungen auf der Basis des klassischen Berliner Größenwahns getroffen“, meinte Flierl. Die gesamte Bausumme von 38 Millionen Euro sei ganz offensichtlich zu gering kalkuliert worden, bestätigte der Vizepräsident der Akademie, Matthias Flügge. Die vier Millionen, die ursprünglich für Gebäudeausstattung vorgesehen waren, wurden offenbar zur Deckung einer Baufinanzierungslücke gesperrt. „Wir stehen vor der Situation, das Haus nicht einrichten zu können“, so Flügge.

Dennoch hoffen alle Beteiligten, dass die Akademie im Sommer 2003 planmäßig an ihren neuen alten Stammsitz zurückkehren kann. Dorthin, wo sich zwischen der Puppenstube der DG-Bank und dem Pseudo-Barock des Adlon die vorletzte Baulücke des Pariser Platzes schließt – mit dem einzigen wirklich öffentlichen Gebäude. Nur die US-Botschaft fehlt noch, man verhandelt seit langem schon um das rechte Maß an Sicherheit, damit auch ihr Stammhaus in Gottes Namen von niemandem bombardiert wird.