Geldwechseln als tägliche Lotterie

Chaotisches Leben in Argentinien: Die Banken haben zu, es gibt kein Bargeld und keinen Wirtschaftsminister

BUENOS AIRES taz ■ Durch die neueste Krise wird das alltägliche Leben in Argentinien immer komplizierter. Wegen der geschlossenen Banken können keine Schecks gutgeschrieben werden, und die Geldautomaten sind leer. Auf den Bildschirmen melden sie: „Operation kann nicht ausgeführt werden.“ Vielen Argentiniern droht das Bargeld auszugehen, da es seit dem Wochenende keine Möglichkeit gibt, an Pesoscheine zu kommen.

Vor allem kleinere Geschäfte akzeptieren keine Kreditkarten, weil sie befürchten, dass die Beträge nicht überwiesen werden. Da es zudem an Bargeld fehlt, machen diese Geschäfte zurzeit so gut wie keinen Umsatz. Die Supermarktketten wiederum haben sich auf neue Kundschaft eingerichtet und ihr Sortiment verändert. Es gibt weniger Auswahl und Billigprodukte von schlechter Qualität.

Da die Wechselstuben geschlossen haben, muss sich, wer Dollars wechseln will, illegalen Geldwechslern ausliefern. Als Folge der dekretierten Bankferien gibt es freilich keinen Wechselkurs, der als Anhaltspunkt dienen könnte. So wird das Geldwechseln zur Lotterie. Einige Banken sind in Zahlungsrückstand gegenüber den Kreditkartenfirmen geraten. Dies hat zur Folge, dass fällige Beträge nicht an die Kartenfirmen überwiesen werden, obwohl das Geld bereits vom Konto des Karteninhabers abgebucht ist. Seit Dezember sind die Sparkonten der Argentinier blockiert, entsprechend halten nicht wenige Leute die Matratze für den sichersten Ort zur Aufbewahrung ihrer Pesos.

Währenddessen ist Präsident Eduardo Duhalde auf der Suche nach einem Wirtschaftsminister, seit der bisherige Amtsinhaber, Jorge Remes Lenicov, am Dienstag von seinem Amt zurückgetreten ist. Bislang aber ist niemand in Sicht.

In einem Interview am Mittwochabend bezeichnete Duhalde einen festen Wechselkurs zwischen Peso und US-Dollar wieder als „möglich“. Die feste Dollarbindung war erst Anfang Januar abgeschafft worden. Um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, braucht Duhalde dringend Hilfe von außen. „Ein Abkommen mit dem IWF würde viele Probleme lösen“, sagte er. Erst dann könnte Argentinien wieder Kredite aufnehmen. Am Mittwoch hat der Senat ein von Duhalde vorgelegtes Gesetz verabschiedet, das es den Sparern erschwert, ihr Geld per Gerichtsbeschluss aus den gesperrten Konten zu befreien. Duhalde stellte in Aussicht, dass die Banken möglicherweise heute wieder ihre Türen öffnen.

INGO MALCHER