Kardinäle kriechen zu Kreuze

Nach zweitägigem Krisengipfel gestehen US-Kardinäle öffentlich Fehlverhalten ein und kündigen Gegenmaßnahmen an. Priester, die wiederholt Kinder missbraucht haben, sollen entlassen werden

VATIKANSTADT afp/ap ■ Nach zahlreichen Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche der Vereinigten Staaten haben die amerikanischen Kardinäle eine Reihe von Gegenmaßnahmen vorgeschlagen. Zum Abschluss ihrer zweitägigen Krisengespräche im Vatikan regten sie am Mittwochabend an, dass alle Priester entlassen werden sollen, die sich wiederholt an Minderjährigen vergangen haben. In einem Brief an ihre Kirche räumten die Kardinäle öffentlich Fehlverhalten ein: So sei es ihnen nicht gelungen, die Kirche vor dem Skandal zu bewahren. Über das Sechs-Punkte-Programm zum Kampf gegen pädophile Priester soll die US-Bischofskonferenz bei ihrer Sitzung im Juni in Dallas entscheiden.

Die Sondermaßnahmen sollen über den kirchlichen Rechtskanon hinausgehen, der für sündige Priester ein abgestuftes, langwieriges Strafverfahren vorsieht. Zum Abschluss der Krisensitzung betonten der Bischof von Washington, Theodore McCarrick, sowie der Vorsitzende der amerikanischen Bischofskonferenz, Wilton Gregory, dass immer mehr US-amerikanische Bischöfe auf die Linie von „null Toleranz“ gegenüber pädophilen Priestern einschwenkten. Die Entscheidung aber, ob ein Priester schon nach einmaligem Vergehen entlassen werden oder ob von Fall zu Fall entschieden werden soll, überließen sie der Bischofskonferenz.

Das Aktionsprogramm der Kardinäle sieht ferner ein „besonderes Verfahren“ für Fälle vor, in denen Priester als „Gefahr für den Schutz von Kindern und Jugendlichen“ angesehen werden, auch wenn sie sich noch keines Vergehens schuldig gemacht haben. Vor allem bei der Priesterausbildung seien neue Standards anzulegen. Gleichzeitig betonten sie jedoch, dass das Zölibat nicht in Frage gestellt werde. Es gebe „keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine Verbindung zwischen Zölibat und Pädophilie“.

Papst Johannes Paul II. hatte die zehn Kardinäle und drei Bischöfe aus den USA nach Rom gebeten, um die bekannt gewordenen Fälle von priesterlicher Pädophilie zu diskutieren und strengere Kirchenregeln vorzubereiten. Schon zu Beginn des Treffens am Dienstag machte er deutlich, dass er keinerlei Pardon gegenüber sündigen Priestern gelten lassen wollte. Die Sitzung in Rom und die Empfehlungen der amerikanischen Bischöfe werden vermutlich weltweit Auswirkungen haben: So sind auch in Australien, Irland, Österreich und Polen Fälle von sexuellem Missbrauch oder sexueller Belästigung bekannt geworden.

Bischof Gregory sprach von einem „anhaltenden Kampf“ um zu verhindern, dass „das katholische Priestertum von Homosexuellen dominiert wird“. Dieser Ausspruch löste bei zahlreichen Homosexuellengruppen in den USA Entrüstungsstürme aus.

Eine Vereinigung von 800 Opfern priesterlicher Misshandlungen in Irland bezeichnete die Reaktion der Kirche jedoch als nicht weitgehend genug. „Letztlich sagt der Papst, dass Priester im Amt bleiben können, bis ihnen nachgewiesen wurde, dass sie eine ganze Reihe unschuldiger Kinder missbraucht haben“, erklärte John Kelly, Vorsitzender der irischen „Überlebenden von Kindesmissbrauch“.

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