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Hochschulgesetz: „Drägers Racheaktion“

■ Uni-Senat lehnt Letter of Intent ab. Senator will Gremien entmachten

In der Hamburger Hochschulpolitik überstürzen sich die Ereignisse. An Donnerstag untersagte der Akademische Senat der Uni in einem einstimmigen Beschluss ihrem Präsidenten, den so genannten „Letter of Intent“ im Alleingang zu unterzeichnen. Gestern früh sickerte durch, dass Wissenschaftssenator Jörg Dräger schon in der nächsten Woche eine Gesetzesänderung vorstellen wird, die die Präsidenten stärkt und die Selbstverwaltungs-Gremien schwächt.

Drägers Sprecherin Sabine Neumann wollte sich zu Details nicht äußern, bestätigte aber, dass Anfang der Woche ein Entwurf veröffentlicht wird. Kern der Neuerung, die den Hochschulpräsidenten am Wochenende zukommt, ist nach einem Bericht der NDR Hamburg Welle die Einsetzung von „Hochschulräten“, denen zur Hälfte Wirtschaftsvertreter angehören. In Baden-Württemberg, wo es diese Räte bereits gibt, haben diese Gremien großen Einfluss. So entscheiden sie über die Mittelvergabe in Lehre und Forschung, nehmen Einfluss auf Haushalts- und Wirtschaftspläne und haben auch bei der Auswahl der dortigen Rektoratsmitglieder ein Wörtchen mitzureden. Auch ist der jeweilige Uni-Rektor dem Rat, der auch ausschließlich mit Wirtschaftsvertretern besetzt sein kann, jederzeit rechenschaftspflichtig.

Drägers Vorgängerin Krista Sager (GAL) hatte bei ihrer Hochschulgesetzänderung bewusst auf diese Räte verzichtet, weil eine Mehrheit in den von ihr veranstalteten Workshops zum Hochschulgesetz ein solches Gremium nicht wollte. Stattdessen stellte die grüne Senatorin es den Hochschulen frei, wie sie sich unterhalb der Leitung eines Präsidiums organisieren. Allerdings hatte auch Sager schon die Rolle der Präsidenten gestärkt.

Welche Bedeutung diese Strukturfragen haben, wird gerade an der Auseinandersetzung um den „Letter of Intent“ deutlich. Wie berichtet, musste Uni-Präsident Jürgen Lüthje sich am Donnerstag vor mehreren hundert ZuhörerInnen dafür rechtfertigen, dass er den Uni-Senat über die geheimen Verhandlungen mit Dräger unzureichend informierte. Heraus kam ein Beschluss, der es Lüthje genau genommen unmöglich macht, den LOI wie geplant in den ersten Maitagen zu unterzeichnen. So trägt der AS dem Präsidenten auf, ihn künftig bei Entscheidungen von struktureller Bedeutung „in jeder Phase“ zu informieren und befassen. Ferner soll Lüthje die Stellungnahmen der Uni-Gremien auch gegenüber der Behörde vertreten. Zudem beschloss der Senat, dass es keinen Blankoscheck für die Umsetzung des im Herbst erwarteten Gutachtens geben dürfe und die Hochschule sich auch nicht per Selbstverpflichtung für mehrere Jahre mit den „schon bisher unzureichenden“ öffentlichen Mitteln zufrieden geben wird.

„Lüthje hat uns gesagt, er will diesen Beschluss befolgen“, berichtet AS-Abgeordnete Golnar Sepehrnia. „Wenn Herr Lüthje jetzt noch unterschreibt, ist er nicht mehr tragbar“, sagt Asta-Referent Chris-tian Schomann, für den Drägers neueste Ankündigung kein Zufall ist. „Wenn er einen Tag, nachdem der AS beschließt, den LOI abzulehnen, eine Beschneidung von Gremienkompetenzen ankündigt, sieht das für mich aus wie eine Racheaktion.“ Kaija Kutter

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