Rot-Rot denkt, Polizei lenkt

Vor dem 1. Mai zeichnet sich ein Konflikt zwischen Senat und Polizei ab. Während Innensenator Körting die traditionelle Demonstration genehmigen will, will die Polizei den Bezirk Mitte sperren

von DIRK HEMPEL

Wenige Tage vor dem 1. Mai zeigen sich Senat und Polizei zerstritten über den Umgang mit linken Demonstrationen. Die politische Linie von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wird von einigen hohen Polizeiführern offenbar torpediert.

Am gestrigen Morgen kamen die Innenpolitiker der rot-roten Koalition deshalb zu einer Krisensitzung zusammen. Das Ergebnis der Unterredung von Udo Wolf, innenpolitischem Sprecher der PDS, seiner SPD-Kollegin Heidemarie Fischer sowie Innensenator Ehrhart Körting (SPD): Die Koalition will keine Demonstrationsverbote am 1. Mai. Auch die am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte für 18 Uhr angemeldete Demonstration linksradikaler Gruppen, darunter auch die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB), soll stattfinden können, auch wenn der Zug durch den Bezirk Mitte gehen soll.

Die Polizei fährt unterdessen einen anderen Kurs. Bereits am Donnerstag wurde der Anmelderin mitgeteilt, die Demonstration müsse entweder nach Kreuzberg verlegt werden oder sie werde verboten. Darüber hinaus eröffnete die Polizei dem Vorsitzenden der Humanistischen Union, Carsten Otte, dass eine von ihm für den 1. Mai angemeldete Diskussionsveranstaltung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz verboten werde, weil die Polizei sie als „Ersatzveranstaltung“ werte. In Kreuzbergs linker Szene, in der bereits massiv mit Plakaten für die 18-Uhr-Demo mobilisiert wird, wurde das auf einer Veranstaltung am Donnerstagabend mit Verunsicherung aufgenommen.

Dennoch gaben sich gestern die Veranstalter der für 18 Uhr geplanten 1.-Mai-Demo zuversichtlich. Denn die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt hat bereits angekündigt, wie im vergangenen Jahr eine Demo gegen ein mögliches Verbot anzumelden. Marquardt, die derzeit in ihrem Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs ist, wird von ihren Berliner Genossen über Handy auf dem Laufenden gehalten.

Die Akündigung möglicher Verbote werteten die Veranstalter gestern als Teil der Polizeistrategie: „Wir wissen, die Polizei hat ein Problem mit Rot-Rot“, sagt Tomas Lecorte vom Zusammenschluss „Für eine linke Strömung“. Teile der Polizeiführung wollten sich durch Anheizen der Stimmung im Vorfeld des 1. Mai für die Sparmaßnahmen rächen. Der größte Unsicherheitsfaktor für den 1. Mai ist nach Ansicht von AAB-Sprecher Michael Kronewetter „die Polizei, die ihre eigenen geschlossenen Einheiten nicht unter Kontrolle hat“.

Doch es gibt auch interne Gründe für die Polizeilinie. „Da fliegt mir doch die Lampe um die Ohren“, heißt es in der Führungsebene zu einer möglichen Genehmigung der Demonstration in Mitte. Immerhin gebe es dann mit dem gleichzeitig stattfindenden Straßenfest am Kreuzberger Mariannenplatz gleich zwei mögliche Konfliktherde.

Als Reaktion auf die gestrige Krisensitzung hat die Polizei den Veranstaltern unterdessen ein neues Angebot unterbreitet, das dennoch nur das alte ist: Die Demonstration soll sich auf Friedrichshain und Kreuzberg beschränken. Einziger Kompromiss: der Auftakt am Rosa-Luxemburg-Platz.