DAS STAMMZELLENGESETZ IST GUT GEMEINT – ABER NICHT GUT GEMACHT
: Ein schlechter Kompromiss

Das Stammzellengesetz hat im Bundestag eine große Mehrheit bekommen. Es ist erstaunlich, wie viele Politiker den diffusen Heilsversprechen einiger weniger Wissenschaftler Glauben geschenkt haben. Etliche Wechsel auf die Zukunft wurden ausgestellt. Mit der fernen Aussicht auf Therapie lassen sich offenbar auch Leute aktivieren, die seit Jahren für die immer eklatanteren Defizite im Gesundheitswesen keine Lösung finden.

Dabei sind die Ressourcen dort knapper denn je. Alte und chronisch Kranke sind in Deutschland medizinisch unterversorgt. In diesem Bereich besteht Nachholbedarf, wie der Sachverständigenrat in drastischen Worten festgestellt hat – nicht in der Finanzierung von Wolkenkuckucksheimen ehrgeiziger Grundlagenforscher. Trotzdem wird jetzt der Weg für eine kostenintensive Forschung gebahnt, deren Erfolg auch Fachleute massiv bezweifeln. Manche Politiker werden bei ihrer Entscheidung für das Stammzellengesetz dem Gerede um den Wissenschaftsstandort Deutschland Priorität eingeräumt haben. Dabei spielt die Bundesrepublik in der Forschung längst nicht mehr in der Ersten Liga, und die wenigen Spitzenkräfte, die es gibt, haben längst zu lukrativeren Bedingungen an besser ausgestattete Institute im Ausland gewechselt. Insofern mag die Regelung zum Stammzellengesetz gut gemeint sein – gut gemacht ist sie nicht.

Tatsächlich ist die Regelung ein Zwitter. Für die Hand voll deutscher Wissenschaftler, die sich wirklich intensiv mit embryonalen Stammzellen befassen, bleibt sie zu restriktiv. Sie werden weiter auf andere Forschungsschwerpunkte oder ins Ausland ausweichen müssen. Sei’s drum. Für die Gegner der Stammzellenforschung lässt das Gesetz dagegen zu viele Hintertürchen offen, besiegelt den Dammbruch in der medizinischen Forschung und weicht ehemals feste ethische und moralische Positionen weiter auf. So hilfreich Kompromisse ansonsten sind – in diesem Fall bietet der vermeintliche Mittelweg weder für die Wissenschaftler noch für die Gegner der Stammzellenforschung einen praktikablen Ausweg. WERNER BARTENS

Der Autor ist Arzt und Redakteur der Badischen Zeitung