Die Verkörperung des Horrors

Eine Seifenoper namens Uschi Glas geht trotz täglichen Bürstens endlich zu Ende

„Und ich fasste mich an undsagte: Stimmt, das ist ja überhaupt nicht durchblutet.“

In „Zur Sache Schätzchen“ war sie für Pubertierende die Verheißung des ganz Anderen. Später stellte sich das als eines der großen Missverständnisse in der populären Kultur heraus, der erste peinliche Irrtum in den Wirrungen eines Heranwachsenden, denn Uschi Glas mauserte sich zügig zur politisch konservativen „Sauberfrau“. „Nur weil ich in den Siebzigerjahren nicht unterschrieben habe, dass ich für Willy Brandt bin, war ich als CSU-Ziege abgestempelt“, maulte sie im Tagesspiegel, und man könnte sie sogar verstehen, wenn sie nicht sofort die Bestätigung dafür liefern würde, dass sie tatsächlich die CSU-Ziege ist, für die sie allgemein gehalten wird: „Ich finde aber, dass der Stoiber seinen Job ganz große Klasse macht. Wir in Bayern stehen super da.“ Uschi Glas, die Verkörperung des Horrors aus Bayern. Stramme Waden und eine fesche, im Dirndl gewandtete Meinung. Alles festgezurrt, da brennt nichts an.

Dachte sie, aber dann ging ihr Mann mit Anke fremd, und Uschi Glas verstand die Welt nicht mehr, hatte sie doch immer eine vorbildliche Ehe geführt. Monatelang stand ihr Bild als Psychiaterin und Eheberaterin zur Seite, ließ sie sich durch den klebrigen Boulevard ziehen und belastete und belästigte erstaunlich ausdauernd die Öffentlichkeit mit dem Kollaps ihrer heilen Kleinfamilie. Aufdringlich wie sonst nur Bohlen, Elvers oder Feldbusch zusammen konfrontierte sie das Publikum mit ihrem Unverständnis. Sie kapierte nichts, und das täglich neu in Bild. Dabei ist dieser Fall gar nicht so schwer zu verstehen. Sie selbst legte immer wieder aufs Neue Zeugnis davon ab, so dass nur eins verwunderlich erscheint, nämlich, wie ihr Mann es so lange mit ihr aushielt.

Gern breitete sie ihr dürftiges Weltbild öffentlich aus, das ganz normale Grauen, mit dem solche Leute eigentlich schon genug geschlagen sind, welches es jedoch verdient, ein bisschen dokumentiert zu werden. Uschi Glas über Zellulitis: „Ich stehe jeden Tag um 6.30 Uhr auf. Und dann wird geschrubbt. Mit einer Wurzelbürste, den ganzen Körper. Jeden Tag Bürstenmassage. Das mache ich seit Jahren, deshalb sieht bei mir auch noch alles gut aus.“ Die Geschmäcker sind da zwar ein bisschen verschieden, aber dann möchte man schon wissen, warum Uschi Glas sich das antut.

„Ich hatte vor langer Zeit ein Schlüsselerlebnis. Da bin ich mit einer sehr netten Freundin nach Paris gefahren, und wir haben ein Zimmer geteilt. Ich dachte immer, die hat eine Traumfigur. Dann habe ich gesehen, bis zur Taille war die in Ordnung. Aber darunter, oje, du liebe Zeit. Damals stand in jeder Zeitschrift, Zellulitis ist Schicksal. Ne, habe ich gedacht, das mache ich bestimmt nicht mit. Ich will nicht einen Millimeter Zellulitis an mir, keinen einzigen Millimeter.“ Und dann? „Dann habe ich darüber alles gelesen, was es gab. Und las, die Körperstellen sind immer kalt. Und ich fasste mich an und sagte: Stimmt, das ist ja überhaupt nicht durchblutet.“ Aha. Ich fürchte, bei Uschi Glas sind nicht nur die Körperstellen unter der Taille zu wenig durchblutet, sondern auch die Körperstelle ganz oben, die man gewöhnlich Kopf nennt.

Jedenfalls wird Uschi Glas, die offensichtlich nur an ihr „Untenrum“ denkt, plötzlich ganz schön anzüglich, fast so wie damals in „Zur Sache Schätzchen“, da bleibt kein Glasauge trocken: „Seitdem bürste ich täglich eine halbe Stunde, jeden Tag, egal wo ich bin.“ Ein geradezu Furcht erregendes Versprechen, das auf jeden normalen Menschen einschüchternd wirkt und schließlich auch ihren eigenen Ehemann mürbe machte und in die Flucht schlug.

„Ich will einfach nicht aussehen wie ein Mülleimer. Ich schaue nicht in den Spiegel und muss kotzen“, plapperte sie, als die Welt des Grauens noch in Ordnung war. „Ich bin gesund und lebe …“, hält sie uns über ihr aktuelles Wohlbefinden auf dem Laufenden. Eine Uschi Glas nämlich würde sich nie und nimmer aus Gründen der Verzweiflung mit Alkohol oder sonstigen Stimulanzien die Kante geben, Uschi Glas ist unheilbar gesund. Jetzt widmet sich die Psychotante der Nation Bild einem neuen Fall: „So lebt Biolek mit seinem jungen Geliebten“: „Austernfarben sind die Wände lackiert, ledern ist die Sitzgarnitur. Manchmal steht eine himbeerfarbene Orchidee auf dem Beistelltisch.“ Will man’s wirklich noch genauer wissen? Manchmal scheint das traute Glück noch fürchterlicher zu sein als eine in allen Details durchgekaute Trennung.

KLAUS BITTERMANN