Der Hürdenlauf

Robert Steinhäuser hatte nach seiner Relegation keinerlei Schulabschluss. Thüringen regelt solche Fälle umständlich

BERLIN taz ■ Der Amokläufer von Erfurt hatte keinerlei Schulabschluss. Das ist das Ergebnis einer ungewöhnlichen Regelung des Landes Thüringen. Wenn ein Schüler dort zum zweiten Mal das Abitur nicht schafft, erhält er im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht einmal einen Hauptschulabschluss. Robert Steinhäuser war im Herbst vergangenen Jahres wegen Urkundenfälschung und mehrfachen undisziplinierten Verhaltens von der Schule geflogen. Seine Eltern wussten nicht, dass ihr Sohn gar nicht mehr auf das Gutenberg-Gymnasium ging (siehe Text links).

Steinhäuser hatte vor einem Jahr das Abitur nicht bestanden und konnte es nach seiner Relegation auch nicht mehr nachholen. Für diesen Fall sieht das thüringische Schulgesetz komplizierte Umwege vor. Gescheiterte Gymnasiasten der Klassenstufen 10, 11 oder 12 etwa können „als Externe die Realschulabschlussprüfung an einer Regelschule ablegen“, heißt es dort. Das Merkblatt des Kultusministeriums betont ausdrücklich: „[…] andere Abschlüsse [als das Abitur] können am Gymnasium in Thüringen nicht erworben werden.“

Der Sprecher des Thüringer Kultusministers Michael Krapp (CDU) sagte, Steinhäuser sei volljährig gewesen und hätte von sich aus Anträge auf eine externe Prüfung stellen müssen. Es habe, „da er kein Schüler mehr war“, kein Anlass bestanden, ihn besonders zu beraten.

Die von Psychologen immer wieder ins Spiel gebrachte Kränkung, die der Amokschütze möglicherweise durch den Schulverweis erlitten habe, konnte der Sprecher so nicht erkennen: „Das ist von unserer Seite nicht erlebbar gewesen.“ Der Schüler sei „nach keiner Seite hin auffällig gewesen“.

Der Bielefelder Konfliktforscher Rainer Dollase sagte unterdessen, das deutsche Benotungssystem sei in manchen Fällen schädlich für das Lehrer-Schüler Verhältnis. Gerade bei mündlichen Prüfungen könne es leicht sein, dass Schüler die persönliche Abneigung von Lehrern für eine schlechte Note verantwortlich machten. Dollase kritisierte den „maßlosen Abiturehrgeiz“ der gesamten Gesellschaft. Andere Schulabschlüsse würden kaum noch gewürdigt. „Dieser falsche Ehrgeiz schürt schnell die Angst: Wenn ich das nicht schaffe, gehöre ich nicht mehr dazu.“ CIF