Sturmtief im UNO-Klimagremium

USA sägen kritischen IPCC-Vorsitzenden ab. BP-Chef schlägt neue Klimaverhandlungen mit der Wirtschaft vor

BERLIN taz ■ Beim internationalen Klimaschutz braut sich ein kräftiges Gewitter zusammen: Während die EU-Staaten derzeit verzweifelt versuchen, das Kioto-Protokoll bis zum UN-Gipfel in Johannesburg im August zu ratifizieren, torpedieren die USA weiterhin die Bemühungen um einen wirksamen internationalen Klimaschutz. Auf US-Druck wählte das internationale UN-Gutachtergremium zu Klimafragen, das „Intergovernmental Panel On Climate Change“ (IPCC), seinen Vorsitzenden Paul Watson ab, der in der Vergangenheit schärfere Maßnahmen gegen die Erderwärmung gefordert hatte. Einen neuen Anlauf für den Klimaschutz fordert nun ausgerechnet ein Ölkonzern: Der Chef des Energiemultis BP, Lord John Browne, plädierte gestern in Berlin für eine „neue internationale Initiative als Antwort auf die Herausforderung des Klimawandels“.

Browne präsentierte sein Unternehmen als Klimaschützer ersten Ranges. BP habe beschlossen, bis 2010 die CO2-Emissionen von 1990 um 10 Prozent zu reduzieren. „Dieses Ziel haben wir bereits heute erreicht“, erklärte er. Bis 2012 will das Unternehmen weitere 50 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Mit diesem „überdurchschnittlich sauberen“ Weg wolle man sich „das Recht auf Wachstum verdienen“. BP will Energie effizienter nutzen, verstärkt an regenerativen Energieformen forschen und vor vor allem „den Schwerpunkt auf Erdgas verlegen“. Die Kosten für den Klimaschutz sind nach Brownes Erfahrung „deutlich niedriger als von vielen befürchtet“. Nun sollten diese Erfahrungen zu Technologien, Kosten und Emissionshandel die Grundlage „eines neuen Dialogs“ mit der Wirtschaft sein, in den die Industrie- und auch die Schwellenländer einbezogen werden sollten. Dass auch die Schwellenländer ihren Teil zum Klimaschutz beitragen, ist eine alte Forderung der USA.

„Eine solche neue Initiative ist naiv und kriecht nur auf der Schleimspur der Amerikaner“, sagt dagegen Stefan Singer, Klimaexperte vom Umweltverband WWF. Der Rest der Welt habe sich auf das Kioto-Protokoll geeinigt, das solle man nicht in Frage stellen, nur um mit einer „Lex Americana“ den USA entgegenzukommen. Für Stefan Singer und seinen Kollegen Christoph Bals ist es ein „Skandal“, was die USA mit dem Expertengremium IPCC gemacht haben. Am 20. April wählte die Versammlung der UN-Mitgliedsländer statt den bisherigen Vorsitzenden, den US-Bürger Paul Watson, den Inder Rajendra Pachauri als IPCC-Vorsteher. Vorher war bekannt geworden, dass der US-Ölkonzern ExxonMobil in einem Brief an das Weiße Haus darum gebeten hatte, Watson bei der turnusmäßigen Wiederwahl nicht mehr zu unterstützen. Der Wissenschaftler hatte in den vergangenen Jahren mit deutlichen Worten die Ergebnisse der IPCC-Studien vertreten und vor einem Klimawandel gewarnt, der durch menschliches Handeln verursacht werde.

Dieser Darstellung hatten Skeptiker in den vergangenen Jahren immer wieder entgegengehalten, die Beweise für die zukünftigen Entwicklungen seien nicht zu erbringen. Die internationale Wissenschaftlerszene ist sich allerdings fast durchgängig darüber einig, dass es einen Klimawandel gibt und dass er auf menschliches Tun zurückzuführen ist. Die Kritik an Watsons politischer Rolle führte am 20. April dazu, dass zum ersten Mal in dem Gremium mehrere Kandidaten um den Vorsitz stritten. Pachauri, der die Unterstützung der Opec-Staaten, der USA und vieler afrikanischer Länder genoss, ist Wirtschaftsexperte und Ingenieur und gilt als unpolitischer im Vergleich zu Watson. „Pachauri ist entweder naiv oder er strebt nach Anerkennung“, kritisierte Singer den Wissenschaftler, der sich „zum Instrument der USA“ habe machen lassen.

Rechtzeitig zur erhitzten Debatte um das Klima kam da die Meldung aus London: Mit Ausnahme der Jahre, in denen das Klimaphänomen „El Niño“ das Wetter durcheinander brachte, waren Januar, Februar und März 2002 das wärmste Vierteljahr seit Beginn der Aufzeichnungen 1860. BERNHARD PÖTTER