Regenbogen und vier Sterne

■ Mit der Stretch-Limo vors Standesamt und über einen Blütenteppich hinaus ins Glück: Auch wenn die Ehe noch zweiter Klasse ist, die Träume sind ganz „normal“

Sie lieben den ganz großen Auftritt und treten den Beweis dafür an, dass man das offizielle Ja-Wort auch nach 17 Jahren Liebe noch ganz groß feiern kann, mit allem Tam Tam und 150 Gästen im Vier-Sterne Hotel Hilton.

Pünktlich um 11.40 Uhr fahren die zwei „Zukünftigen“ in einem 25 Jahre alten Lincoln vor dem Standesamt in der Hollerallee vor. Das Gefährt, mit einer imposanten Länge von 7,38 Metern, eine anständige „Stretch-Limo“, ganz wie bei den Großen vom Film. „Schön, dass ihr alle da seid“, jubelt Beinahe-Gattin Christa Schulte ihren wartenden FreundInnen zu. „Das ist ja ein Riesenaufgebot.“ Das quetscht sich komplett in den Trauungsraum zur Zeremonie mit einem Kitschfaktor weit unterhalb von Hollywood. „Ich wünsche Ihnen Zeit, sich zu freuen und zu lachen“, sagt die Standesbeamtin. Die so gut wie verheiratete Christa tupft Rührungstränen. Dann das Ja-Wort, die Unterschriften – ein aufgeregtes „Jetzt hab ich mich verschrieben“ – und auf einmal sind die zwei auch vor dem Gesetz ein „richtiges“ Paar.

Als Christa und Helga vor die Tür des Standesamts treten, regnen Rosenblütenblätter auf sie nieder. Zu den Klängen des klassischen Hochzeitsmarschs schreiten die beiden frisch Vermählten die Stufen hinunter, durch ein Spalier aus Birkenzweigen, die mit regenbogenfarbenen Stoffstreifen geschmückt sind.

Schon vor Schulte und Viets haben sich Paare beim Standesamt Bremen-Mitte eintragen lassen: Zwischen dem 1. August 2001 und dem 31. März in diesem Jahr – also seit dem Tag, an dem das Gesetz in Kraft getreten ist – sind 17 Frauenpaare und 35 Männerpaare eine „eingetragene Partnerschaft“ eingegangen. In diesen neun Monaten haben auch 1.382 heterosexuelle Paare geheiratet. „Das war nicht das erste Frauenpaar, das ich getraut habe“, sagt Standesbeamtin Kirsten Röder. „Aber es ist immer noch etwas anderes. Dabei spielt es ja eigentlich keine Rolle, ob mir da zwei Frauen, zwei Männer oder ein Mann und eine Frau gegenübersitzen.“ Sie glaubt, der Grund dafür sei immer der gleiche: die Liebe. Ob die Beamtin da nicht romantisch verklärt? Wenn Männer und Frauen eine Ehe schließen, kann das auch profane steuerliche Gründe haben. Die Gefahr besteht bei Christa und Helga sicherlich nicht: Das Lebenspartnerschaftsgesetz („LPG“) bringt für Lesben und Schwule keine finanziellen Vorteile.

Entsprechend sind Schulte und Viets mit der Regelung noch nicht zufrieden. Warum sie dennoch ihre Partnerschaft haben eintragen lassen, erklärt Schulte beim abendlichen Sektempfang: „Das ist wie mit dem Frauenwahlrecht: Schritt für Schritt erreichen wir mehr Gleichberechtigung.“ Die über 150 Gäste feiern jedenfalls so, wie es sich für eine anständige Hochzeit gehört: Sie lassen sich das Buffet schmecken, bringen Geschenke, schwofen auf dem eigens erweiterten Parkett, bewundern die Show-einlage von Christas und Helgas Tanzlehrerinnen, bieten Sketche dar und beklatschen die Hochzeitstorte.

Die war für den Chefkoch eine echte Herausforderung: Galt es doch, das übliche Mann-Frau-Hochzeitspaar adäquat zu ersetzen. So modellierte er zwei Frauenfiguren aus Marzipan, die an die Nanas der Niki De Saint Phalle erinnern. Die regenbogenfarbenen Wackelpudding-Herzen, die die Torte außerdem zieren, färbte der Chef de Cuisine mit Ananas, Tropic, Himbeere, Waldmeister, Blue Curacao und – violett war das Schwierigste – mit Passionsfrucht.

Das Hochzeitsdatum – Walpurgisnacht – ist natürlich kein Zufall: Am 30. April 1985 sanken sich die beiden zum ersten Mal in die Arme, unddann war es um sie geschehen.

Ulrike Bendrat