Fördern, fordern, fallen lassen
: Mehr Lohn zahlen!

■ „Auf Zwang können wir verzichten.“

Jörg Huffschmid, 62, Professor für Politische Ökonomie und Wirtschaftspolitik an der Bremer Universität, sitzt seit Samstag im wissenschaftlichen Beirat von Attac.

taz: Kann die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe die Arbeitslosigkeit senken?

Jörg Huffschmid: Überhaupt nicht. Letztlich wird dabei nur herauskommen, dass die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe sinkt.

Es gibt Leute, die sagen, das größte Problem seien die überzogenen Lohnforderungen der Arbeitssuchenden.

Diese Leute sollten sich mal ein bisschen die Empirie anschauen: In den letzten zwanzig Jahren waren die Lohnerhöhungen immer niedriger als der Produktivitätsfortschritt und die Inflationsrate. Das führt nicht etwa zu mehr, sondern zu weniger Arbeitsplätzen.

Im Umkehrschluss: höhere Löhne fordern?

Ja – um die Kaufkraft zu erhöhen.

Haben staatliche Lohnzuschüsse für Niedriglohn-Jobs Sinn?

Nein. Wenn diese Jobs getan werden sollen, dann müssen sie auch ordentlich bezahlt werden. Niedriglöhne sind immer nur der Anfang von einer allgemeinen Lohnsenkung gewesen. Und dann sinkt der Lebensstandard der Beschäftigten.

Was schlagen sie vor?

Die Politik muss endlich einmal ein vernünftiges Beschäftigungsprogramm auflegen. Das würde auch die private Wirtschaft wieder ankurbeln.

Was ist mit denen, die nicht in der Lage sind, eine Arbeit aufzunehmen?

Für diese Leute muss so etwas wie ein zweiter Arbeitsmarkt geschaffen werden – mit gesicherten, langfristigen Arbeitsplätzen und zu anständigen Löhnen. Wer überhaupt nicht arbeitsfähig ist, muss eine vernünftige soziale Grundsicherung haben, die lebensstandardsichernd ist.

Keine Pflicht zu gemeinnütziger Arbeit also?

Nein. Gut bezahlte Jobs werden auch angenommen. Alles andere setzt die Bezieher von Sozialleistungen doch nur unter Druck, eine Arbeit anzunehmen, für die sie weder geeignet sind noch irgendeine Ausbildung oder Neigung haben. Das braucht sich eine Gesellschaft, die so produktiv ist wie die unsere, nicht anzutun. Und man wird sich wundern: Wenn der erste Arbeitsmarkt erst einmal angekurbelt ist, bleiben für den zweiten nicht mehr viele übrig. Wir haben das in den Zeiten der Hochkonjunktur gesehen: Da haben die Unternehmen Leute, die zunächst sehr schlecht qualifiziert waren, dann doch „on the job“ ausgebildet. Die haben sich dann zu vollwertigen Arbeitskräfte entwickelt. Fragen: hoi :i

Mehr zu „Fördern, fordern, fallen lassen“ gibts am Donnerstag um 19.30 Uhr auf dem „taz kongress on tour“ im Bremer Schlachthof.