: Senden ohne Reinheitsgebot
Satelliten machen vor Landesgrenzen keinen Halt, doch ein europäisches Rundfunkgesetz fehlt bislang. Dafür gab es an der Uni Köln einen Kongress
Wenn hierzulande ein Bier gebraut wird, muss dies nach den Auflagen des deutschen Reinheitsgebots geschehen. Ausländische Biere dürfen dagegen ungehindert importiert werden – egal, woraus sie gemacht sind. Mit Radio und Fernsehen sei es ähnlich, sagte Johannes Laitenberger von der EU-Kommission für Kultur und Bildung bei einer Veranstaltung der Uni Köln, wo einen Tag lang über europäisches Rundfunkrecht debattiert wurde.
Der technische Fortschritt hat aus der einst nationalen Ware Rundfunk und Fernsehen ein grenzüberschreitendes Angebot gemacht. Satelliten droben am Himmel kennen eben keine Grenzen. Deshalb, so Laitenberger, brauche es wenigstens „einheitliche Mindeststandards“ innerhalb der Europäischen Union. Sprich: Ein europäisches Rundunkgesetz müsse her.
Bisher nur Eckpunkte
Die in der EU-Menschenrechtskonvention verankerte Presse-, Informations- und Medienfreiheit gibt bisher nur die Eckpunkte vor, an denen sich die Gesetzgebung orientiert. Dabei beeinflusst sie immer wieder nationales Recht. Bei zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen wird grundsätzlich von der Gesetzeslage im Land des Senders ausgegangen: Was dort erlaubt ist, kann im Empfängerland nicht verboten werden. So musste ein ausländisches Kinderprogramm in Schweden weiter im Kabel verbreitet werden, obwohl es die dortigen Werberichtlinien nicht befolgt, die Kinder unter zwölf Jahren schützen sollen.
Doch die Freiheit hat auch ihre Grenzen: Im Fall des Luxemburger Senders TV 10 erkannten die Richter einen „Missbrauch“ des Niederlassungsrechts. Der Sender habe sich nur in Luxemburg angesiedelt, um niederländische Gesetze zu umgehen. Klärungsbedarf besteht auch bei den Kriterien, nach denen deutsche Landesmedienanstalten Plätze im Kabel vergeben: Brauchen wir mehr Teleshopping – oder mehr ausländische Sender, die vielleicht die europäische Identität stärken? In Aachen war ein belgischer Sender zugunsten des später eingestellten Wetterkanals aus dem Kabel geflogen.
Euro-Quote
Umstritten ist dabei eine Regelung, die den Sendern eine Quote europäischer Produktionen vorschreibt. Nun soll ein Diskriminierungsgesetz erarbeitet werden, das den Ausschluss ausländischer Anbieter verbietet. Eine Diskussion über Inhalte audiovisueller Medien aber spielt derzeit keine große Rolle. Auch nicht die Diskussion über Probleme wie Staatsferne oder -nähe öffentlich-rechtlicher Sender. Hier erschöpft sich die EU eher in allgemeinen Aussagen, wonach etwa audiovisuelle Medien wichtig sind für einen demokratischen Informationsfluss und die Vermittlung sozialer, kultureller und ethischer Werte. Die derzeitige Machtverflechtung zwischen privaten Medienunternehmen und Staat in Italien mag zwar in der EU mit Sorge betrachtet werden, fällt aber noch unter Dulden nationaler Eigenschaften. Für ein Eingreifen zugunsten der oft beschworenen „Pluralität“ fehlt eben die Gesetzesgrundlage. JÜRGEN SCHÖN
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