Hungerkatastrophe im südlichen Afrika

In Malawi, Sambia und Simbabwe sind Millionen gefährdet. Dörfer werden verlassen, Flüchtlingsrationen reduziert

JOHANNESBURG taz ■ Eine Hungersnot im südlichen Afrika droht sich in den nächsten Monaten zu einer humanitären Katastrophe auszuweiten, die durch hohe HIV/Aids-Infektionsraten noch verstärkt wird. Nach einer Reise durch fünf Länder richtete Judith Lewis, Direktorin des UN-Welternährungsprogramms WFP, einen dringenden Spendenappell an die internationale Gemeinschaft. „Wenn wir jetzt nicht einmal die 2,6 Millionen Hungernden ernähren können, was soll aus den Millionen von Menschen werden, die auf unsere Hilfe in den kommenden Monaten angewiesen sind?“, fragte Lewis in Johannesburg.

In Malawi hat die Krise bereits zum Tod von hunderten von Menschen geführt. Die Regierung rief den Notstand aus; Simbabwes Regierung zog am Dienstag nach. In vielen ländlichen Gegenden der Region haben Familien bereits die letzten Reserven und Besitztümer verkauft, um zu überleben. Zu dieser Zeit des Jahres wird normalerweise die Ernte eingebracht. Doch eine Kombination aus Naturkatastrophen und Misswirtschaft hat eine Notlage verursacht. Am stärksten betroffen sind Malawi, Simbabwe und Sambia; aber auch Mosambik, Lesotho und Swasiland benötigen Hilfe.

Das WFP will seine bisherigen Lieferungen mit akuter Nothilfe im Wert von 70 Millionen US-Dollar aufstocken. Zurzeit sind aber von den reichen Ländern der Erde lediglich 3 Millionen US-Dollar bereitgestellt worden. Sorge, dass Spenden veruntreut werden könnten, hat die Geberlaune getrübt. Simbabwe kriegt sowieso kein Geld vom Ausland; in Malawi sind ebenfalls Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung laut geworden.

Malawis nationale Kornlager sind leer. Die größte Flut in Malawis Geschichte im vergangenen Jahr hat dazu eine verheerende Situation geschaffen. Das WFP hat diesen Monat 300.000 Menschen in Malawi mit Nahrungsmitteln unterstützt. Viele sind gezwungen, unreifen grünen Mais zu essen. „Ich habe Männer gesprochen, die sogar ihr Leben aufs Spiel setzen und trotz der Unmengen von Krokodilen im Sambesi-Fluss nach den Knollen der Wasserlilien tauchen“, berichtet Lewis. Daraus wird notdürftig ein Brei als Ersatz für Mais gestampft. Bis Jahresende könnten ein Drittel der 11 Millionen Einwohner Malawis wegen Unterernährung in Lebensgefahr geraten sein.

In Sambia sind ganze Dörfer verlassen worden, weil Mütter mit ihren Kindern 50 Kilometer lange Fußmärsche auf der Suche nach Nahrung und Wasser unternehmen. Im südlichen und östlichen Teil des Landes erhalten 1,3 Millionen Menschen Nahrung durch die UN-Organisation. Zusätzlich leiden 120.000 Flüchtlinge aus Angola und dem Kongo in Sambia an Hunger. Ihre Rationen sind bereits um die Hälfte reduziert worden.

In Simbabwe hat die wirtschaftliche und politische Krise die Lebensmittelpreise massiv in die Höhe getrieben; dazu hat ausbleibender Regen die bereits verfehlte Ernte vom vergangenen Jahr zerstört. Im Februar wurden internationale Hilfsaktionen für etwa 560.000 Menschen in 19 Distrikten des Landes gestartet. „In Harare warten Menschen in langen Schlangen auf Maistransporte“, sagte Lewis. Doch die UNO muss sich politischen Drucks der Regierung bei der Verteilung von Nahrung durch unabhängige Organisationen erwehren

MARTINA SCHWIKOWSKI