Mord in Guatemala

Attentat auf Buchhalter der Rigoberta-Menchú-Stiftung: Regierungsmehrheit lehnt die Verurteilung des Mordes ab

BERLIN taz ■ Wieder ein politischer Mord in Guatemala: Am Montagnachmittag wurde der 30-jährige Guillermo Ovalle de León, der seit sechs Jahren als Schatzmeister der Rigoberta-Menchú-Stiftung arbeitete, in einem Café in der Nähe der Stiftungsgebäude ermordet. Zwei mutmaßliche Täter wurden noch am Abend festgenommen, teilte die Polizei mit. Insgesamt seien drei Männer beteiligt gewesen. Offiziell hieß es, die Hintergründe seien unklar, ein Raubmordversuch nicht auszuschließen.

Doch Stiftungsgründerin und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú ließ bereits in einer ersten Stellungnahme keine Zweifel daran, dass sie von politischen Hintergründen des Mordes überzeugt ist. Sie verwies darauf, dass die Stiftung derzeit eine Reihe von Verfahren gegen die Verantwortlichen der Ermordung tausender Menschen Anfang der 80er-Jahre anstrengt – allen voran der ehemalige Diktator Efraín Ríos Montt, Chef der derzeit regierenden Frente Republicano Guatemalteco (FRG). Da die Täter in Guatemala bis heute nicht verfolgt werden, strebt die Stiftung gemeinsam mit anderen Klägern ein Verfahren in Spanien an – dort findet am 30. Mai eine Anhörung statt. Die Kläger werfen der damaligen Regierung und den Militärs des Landes Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit vor.

Im Übrigen, so Menchú weiter, ordne sich die Tat in eine Reihe von Einschüchterungen und Gewalttaten gegen Menschenrechtsverteidiger ein. Nur wenige Minuten nach der Ermordung Ovalle de Leóns seien bei der Stiftung mehrere Anrufe eingegangen – am anderen Ende der Leitung sei Begräbnismusik gespielt worden. Anrufe von dieser Art kennt Menchú zur Genüge: Sie selbst ist in Guatemala immer wieder von Unbekannten mit dem Tode bedroht worden. Heute lebt die Nobelpreisträgerin in Mexiko.

Im guatemaltekischen Parlament brachte die Abgeordnete Nineth Montenegro am Dienstag den Entwurf einer Resolution zur Verurteilung des Attentats ein – doch die FRG-Mehrheit lehnte ab. Erst vor vier Tagen war in Guatemala der Ermordung des Erzbischofs Juan Gerardi gedacht worden. Gerardi hatte durch seinen Einsatz für die Menschenrechte auf sich aufmerksam gemacht. Die Hintergründe seiner Ermordung sind nach einer mehrjährigen Justizfarce bis heute nicht endgültig geklärt, obwohl Menschenrechtsorganisationen wenig Zweifel daran haben, wer hinter der Tat steckt. BERND PICKERT