themenläden und andere ClubsBesuch in der kleinen Weltlaterne
: Millionärinnen, die ihre Katzen Aldi und Lidl nennen

Habe es gerade noch rechtzeitig zur „Toby Fichelscher“-Ausstellung in „Die kleine Weltlaterne“ in Charlottenburg geschafft. Toby war in den 50ern und frühen 60ern der Jazzsänger der Stadt, mit sämtlichen dazugehörigen Attributen: begnadet, besoffen, bekloppt. Im Porträt „Tobby“, dem ersten Film von Hansjürgen Pohland, gondelt der Jatzer mit seiner Leeze, an der Bongos hängen, nachts durch das Berlin von 1961, sitzt stundenlang in unglaublichen, wie von Godard eingerichteten Liebhaberinnen-Wohnungen (moderne Kunst, leere Flaschen, schräg stehende Möbel) und lallt dem Chick etwas vor, und im Morgengrauen fährt er nach Hause zu seiner Ex-Frau und seinen begabten Jungs, kippt zum Frühstück ein paar Bier und trommelt mit den Kindern am Tisch einen Rhythmus-wo-man-immer-mitmuss runter.

In der „Weltlaterne“ hängen Fotos, die Toby in den 50ern dokumentieren, neben anderen Jazzgesichtern und spaßigen, vergilbten Konzertankündigungen von Big Bands in der „Eierschale“. Und es gibt eine riesige Fotowand-Collage mit Bildern aus der Anfangszeit der Kneipe bis heute. Da sitzt es plötzlich, das alte Berlin, und wartet. Laut der Dokufotos war das alte Berlin 1. im Westen, 2. sehr albern und 3. immer stramm. Der blutjunge Ingo Insterburg steht auf einem Kneipenbild neben dem blutjungen Karl Dall, dessen Lid nur halb so tief hängt wie heute, und man hört ihn quasi rezitieren: Ich liebte ein Mädchen in Wedding, das wollte immer nur Petting. Auf anderen stoßen die „Künstler“ mit der „Künstlermutter“, der Kneipenbesitzerin Hertha nämlich, an. Und ein paar großformatige Pin-ups von Ingrid Steeger hängen da, noch weit vor der Ulknudel-Karriere, als sie in Spät-60er-Psychedelic-Filmen junge Groupies spielte, die anstatt sich zu Hause mit dem netten Nachbarsjungen zu verloben lieber nackicht in Übungsräumen von Beat-Bands herumlagen, neben sich Haschischspritzen, versteht sich. Ach Ingrid. Nach dem herzzerreißenden Text im SZ-Magazin vor ein paar Monaten muss ich immer mehrere Tränchen zerdrücken, wenn ich an sie denke. So allein, nur ein paar Katzen als ständige Begleiter, igitt.

Wobei ich an dieser Stelle, damit die Stimmung bloß nicht ins Traurige kippt, mal eben einfügen möchte, dass ich neulich von einer Millionärstochter gehört habe, die ihre beiden Katzen „Aldi“ und „Lidl“ genannt hat, was ich fast so gut finde wie den „Eure Armut kotzt mich an“-Aufkleber an fetten Mercedissen (Mercedaen? Mercedi?). Ich bin sicher, dass sie das aus dem Buch hat, welches ich meiner schwangeren Freundin damals, als die Niederkunft ins Haus rückte, geschenkt habe: „Das große Buch der Tiernamen“, aufgeteilt in fünf Kapitel: Karnickel, Hamster, Hunde, Katzen, Vögel. Ein Wunder, dass meine Freundin ihren Sohn nicht „Mucki“ genannt hat oder „Rex“. Sondern, vermutlich aus einem 60er-Jahre-Serien-Nachspann abgepinnt: „Quinn“. Ich persönlich würde meine Inspiration in Sachen Namen natürlich keinesfalls in einem Tiernamenbuch und auch nicht im Ikea-Katalog suchen. Sondern in der Bäckerei: Wieso kann man seine Katze Zupfkuchen nennen?

Noch mal kurz zurück in die „Weltlaterne“: Auf der „Toby Fichelscher-Fan- Edition“-CD, die ein leidenschaftlicher Toby-Biograf sorgsam zusammengebootleggt und mit einem hübschen Kopier-Cover versehen hat, heißt einer von Tobys 50er-Jahre-Mitmusikern „T-Bone Schniepenkötter“ oder so ähnlich, vermutlich hat er das von „T-Bone Burnett“, der hat’s von „T-Bone Walker“, und der hat’s natürlich vom Schlachter geklaut. Die Idee mit dem Ausflug ins Kulinarische, um sich von der Namensmuse küssen zu lassen, ist also auch nicht neu. Aber das habe ich ja auch gar nicht behauptet.

JENNI ZYLKA