Warten auf den Heilsbringer

Christoph Stölzl ist mit seiner Vorstellungsrunde an der Basis fast durch, wird aber zum Verdruss einiger Christdemokraten erst Ende Mai zum CDU-Landeschef gewählt. Parteifreunde raten ihm, nicht zu sehr auf Schmusekurs mit Frank Steffel zu gehen

„Wenn Christoph Stölzl will, dann hat er eine Faust aus Eisen.“

von STEFAN ALBERTI

Christoph Stölzl hat vor ein paar Wochen gesagt, er habe sich immer energisch zu bewältigenden Aufgaben gestellt. „Dann nehme ich eine Schaufel, und dann müssen die Probleme weggeschaufelt werden, am besten im Verein mit anderen.“ In der Berliner CDU warten sie sehnlichst darauf, dass der Mann endlich nicht mehr nur ihr designierter Chef ist und offiziell anpacken kann. Doch auch wenn Stölzl schon neun von zehn Vorstellungsterminen in den Kreisverbänden abgehakt hat: Seine Wahl beim Landesparteitag steht erst in über drei Wochen an. Das zieht sich, das hätte schneller gehen können, murren einige.

Seit er seine Ambitionen Ende Februar öffentlich machte, ist Stölzl der Hoffnungsträger der Union. Schon jetzt ist er der zentrale Ansprechpartner, bei dem nur noch das „designierter“ vor dem CDU-Chef stört. Zudem bringt er der getretenen Partei, die unter dem Trauma der Wahlniederlage vom 21. Oktober leidet, etwas Glanz und Mondänität an die Spitze. Frankreich hat ihn jüngst zum Ritter der Ehrenlegion ernannt, und wenn eine Sonntagszeitung sich zum Thema Gesellschaft umhört, darf Stölzl als Experte unter dem Etikett „Gentleman“ nicht fehlen.

Es wird eine Krönungsmesse am passenden Ort werden, wenn die Union ihn am 25. Mai wählt. Die Partei tagt nicht in einem abgelegenen Vorortschuppen oder wie im Februar im Sportforum Hohenschönhausen, sondern an der Friedrichstraße im Hotel Maritim. Das sei nicht als Zeichen zu verstehen, beeilen sich Parteifreunde zu versichern, das sei finanziell sogar günstiger. Zudem sei der Raum schon vor Stölzls Kandidatur gebucht gewesen.

An seiner Wahl zweifelt in der Union keiner. Ob Stölzl aber tatsächlich der Heilsbringer werden kann, den er geben soll, ist bei den Machern in der Union fraglicher. Es hängt davon ab, wer neben, unter, mit ihm im 21- köpfigen Vorstand des CDU-Landesverbands sitzen wird. Neue Leute, Seiteneinsteiger sollen rein, die der Union ein anderes Gesicht geben, vor allem ein agiler Schatzmeister, der die Parteikasse füllt. Vier, fünf Neue sollen es sein, fordert Frank Henkel, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Wenn wir das nicht schaffen und auf Ortsverbandsebene bleiben, dann finden wir uns auf lange Zeit in der Opposition“, sagt Henkel und steht mit dieser Einschätzung nicht allein.

Henkel war selbst mal für einen führenden Vorstandsposten im Gespräch. Generalsekretär sollte er werden – Fraktionschef Frank Steffel wollte, wenn er schon nicht selbst Vorsitzender wird, einen Vertrauten neben Stölzl an der Spitze sehen. Für die gleiche Rolle wurde auch der frühere Generalsekretär Gerhard Lawrenz genannt.

Stölzl aber hatte sich einen Steffel-Gegner herausgepickt, den früheren Fraktionsvize Alexander Kaczmarek. Steffel tat, was man in der Politik tut, um Gegner zu verbrennen: Man macht ihre Pläne öffentlich. Den Kaczmarek könne man jetzt vergessen, ist aus dem Umfeld vom Steffel zu hören. Henkel bringt derweil wieder Lawrenz ins Spiel, Stölzl hält sich nach der ersten Panne bedeckt.

Die alten Gesichter sind derweil von der Bildfläche veschwunden. Den Exvorsitzenden Eberhard Diepgen, der im Alleingang Spitzenkandidat für die Bundestagswahl werden wollte, dabei aber im Februar grandios scheiterte und als Parteichef zurücktrat, ortet die Landesgeschäftsstelle bei seiner Tochter in Australien. Klaus-Rüdiger Landowsky, der über den Aubis-Skandal gestolperte Exfraktionschef und Ex-BerlinHyp-Chefbanker, arbeite jetzt wieder als Anwalt in der Stadt.

Auch ihre Namen fielen, als Stölzl mit Steffel in den vergangenen Wochen durch die Kreisverbände zog und zudem bei der Frauen-Union und beim Parteinachwuchs der Jungen Union vorbeischaute. Zentraler aber waren Fragen nach mehr Mitbestimmung und Kommunikation, die Stölzl versprach. Der neue Vorstand solle eine Ideenschmiede sein, die Anstöße in die Bezirke hineinträgt, sagt Fraktionsvize Mario Czaja aus Hellersdorf. „Besser wäre es, wenn sich die Partei von unten nach oben erneuerte und nicht wie jetzt anders herum“, kritisiert hingegen ein Vorstandsmitglied. Doch die Kreischefs stehen erst im nächsten Jahr wieder zur Wahl, Stölzl soll jetzt ran. Steffel-Gefolgsleute mühen sich darum, ihren Boss und Stölzl als gut funktionierendes Team darzustellen. „Zwischen die beiden passt kein Löschblatt“, sagt etwa Henkel.

Der äußere Eindruck von den zurückliegenden Vorstellungsabenden bei der Basis deckt sich mit diesem Bild der Geschlossenheit. Beide traten stets zusammen auf und brachten noch den kommissarischen Parteichef Joachim Zeller und Günter Nooke mit, der nun statt Diepgen die Berliner CDU bei der Bundestagswahl anführt.

Intern aber soll Stölzl äußerst vergrätzt gewesen sein, dass Steffel ihm seine Kaczmarek-Pläne für den Generalsekretär vorläufig vermasselte. Er müsse bei aller richtigen Harmonie aufpassen, darüber nicht seine eigene Linie zu verlieren, sagen jene, die ihn tatsächlich die Schaufel schwingen lassen wollen. Das Durchsetzungsvermögen habe er, er sei nicht nur der feinfühlige Schöngeist: „Wenn er will, hat er eine Faust aus Eisen.“ Wenn er nach dem 25. Mai nicht nur den Frühstücksdirektor geben will, wird er sie einsetzen müssen.