Militäroffensive in Nepal fordert über 650 Tote

Das Vorgehen der Armee gegen Maoisten fällt mit einem Besuch des Regierungschefs in Washington zusammen. Es geht auch um Waffenhilfe

DELHI taz ■ Die Offensive der nepalesischen Armee gegen die maoistischen Rebellen entwickelt sich zu einer regelrechten Schlächterei. Seit die Militäraktion in der Nacht auf Freitag gegen Ausbildungslager der Guerilla im Westen des Landes begann, wird die Zahl getöteter Maoisten ständig nach oben korrigiert. Der jüngste Zwischenstand lautet 650 getötete Guerilleros.

Mehr als die Hälfte der Kämpfer fielen bei einem Angriff auf ein Trainingscamp in der Nähe der Ortschaft Lisne Lekh im Bezirk Rolpa, rund 300 Kilometer westlich der Hauptstadt Kathmandu. Das Lager, das auf einer Anhöhe liegt und über tausend Kämpfer beherbergt, wurde am Freitag von allen Zugangswegen abgeschnitten und soll daraufhin mit Helikoptern angegriffen worden sein. Presseberichten zufolge konnten viele Insassen fliehen, aber es sollen noch über 400 Kämpfer eingeschlossen sein. Ein zweites Lager bei Khagal im benachbarten Bezirk Doti soll ebenfalls Ziel einer Militäroperation sein, bei der bisher über hundert Guerilleros starben.

Es mag Zufall sein, dass die Aktion just auf den Zeitpunkt fällt, an dem Premierminister S.B. Deuba nach London und Washington reist, wo er – als erster Regierungschef Nepals überhaupt – heute von Präsident George Bush empfangen wird. Beide Länder haben der Regierung Militärhilfe versprochen und ein Kredit von 20 Millionen Dollar steht in diesen Tagen im US-Kongress zur Diskussion. Die Hilfe ist bereits angelaufen, was sich, etwa mit dem Helikoptereinsatz, allmählich auf das Kampfgeschehen auswirkt.

Die jüngste Offensive scheint zu beweisen, dass die Armee ihre bisherige Rücksichtslosigkeit immer mehr mit Effizienz zu verbinden sucht. Die Regierung ist daher nicht gewillt, auf das Angebot zur Wiederaufnahme von Gesprächen einzugehen, das die Maoisten vor einer Woche machten. Deuba betrachtet das Friedenssignal als taktisches Manöver oder Verzweiflungsakt und erklärte vor seiner Abreise am Wochenende, es werde keine Gespräche geben, bis die Rebellen ihre Waffen niederlegten.

Die Erfolge der Regierungstruppen mögen auch das Resultat eines verbesserten Nachrichtenflusses durch lokale Informanten sein. Auch in der ländlichen Bevölkerung scheint sich ein Stimmungsumschwung anzubahnen. Die Maoisten haben laut Berichten von unabhängigen Beobachtern in den letzten Monaten Sympathien eingebüßt, die sie dank ihres sozialrevolutionären Programms in der armen Bevölkerung bisher genossen. Ihr Vorgehen ist oft nicht weniger rüde, als es die Polizeimethoden des Staates waren. Dies gilt für summarische Hinrichtungen von Verdächtigen, Verhaftungen von Angehörigen höherere Kasten, selbst solchen, die mit den Linksgruppen sympathisieren, Erpressung und Zwangsrekrutierung. Es ist symptomatisch, dass im westnepalesischen Bezirk Surkhet rund tausend Gemeinderäte ihre Dörfer mitsamt Familien verließen und die relative Sicherheit des Bezirkshauptorts aufsuchten, weil sie befürchten, im eskalierenden Konflikt für die Maoisten als Schutzschilde herhalten zu müssen. BERNARD IMHASLY