Korruption und Bürokratie vertreiben Investoren

Deutschland ist zweitgrößter Handelpartner für Rumänien. Doch die Firmen denken an Rückzug. Korruption gefährdet auch Nato- und EU-Beitritt

BUKAREST taz ■ Der Geschäftsmann Peter Bayard staunte nicht schlecht, als er sich den Empfang diverser medizinischer Geräte, die er aus der Schweiz an ein rumänisches Krankenhaus geliefert hatte, vor Ort bestätigen lassen wollte. Die Ärzte hatten die Röntgen-, Ultraschall- und Laborgeräte in ihre Privatpraxen aufgestellt, die übrigen wurden teuer weiterverkauft. Die Rechnung an Peter Bayard bezahlte das Hospital trotzdem nicht.

„Es ist ein ständiger, frustrierender Kampf“, klagt Peter Bayard, dessen Firma „Helvetica Profarm“ im westrumänischen Timisoara Tabletten und Infusionen für Krankenhäuser herstellt. Zwölf Jahre nach dem Sturz der kommunistischen Diktatur stellt sich Peter Bayard deswegen zuweilen die Frage, ob es nicht besser wäre, seine Firma aus Rumänien zu verlagern: „Hier jedenfalls wird es von Jahr zu Jahr schlimmer mit der Korruption.“

Mit dieser Einschätzung steht Bayard nicht allein da. „Die Stimmung unter ausländischen Unternehmern ist sehr kritisch“, resümiert Wolfgang Limbert von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) das Ergebnis der jüngst vorgelegten GTZ-Studie über „Das Wirtschaftsklima in Rumänien“. In einer repräsentativen Untersuchung erklärten 125 Unternehmen mit deutscher Beteiligung: „Das Problem der Bestechlichkeit ist unvermindert virulent.“ Fast die Hälfte der Befragten bewertet die Bestechlichkeit als hoch oder sehr hoch. Wer sich dagegen wehre, klagt der Vorsitzende des Deutschen Wirtschaftsklubs Rumäniens (DWR), Peter Simon, fühle sich häufig allein gelassen. Die Unternehmen kritisieren, dass „die Korruptionsanfälligkeit der ordentlichen rumänischen Gerichte hoch ist“, schreibt die GTZ. Weder gibt es Antikorruptionsabteilungen bei den Gerichten noch ein Klageerzwingungsverfahren in Korruptionsfällen. Darüber hinaus beklagen 80 Prozent der ausländischen Geschäftsleute „mangelnde Planungssicherheit“ sowie das Steuerrecht, das Einzelkaufleute „systematisch diskriminiert“. Mit 43 Prozent bewertet fast die Hälfte aller Befragten zudem die Verlässlichkeit der Steuergesetzgebung als „unzureichend“. Unzufriedenheit herrscht auch wegen der undurchschaubaren Bürokratie. Behörden hielten Fristen und Termine nur bei jedem fünften Fall ein.

Die schlechte Stimmung unter den deutschen Firmenchefs hat mittlerweile auch die deutsche Botschaft in Bukarest auf den Plan gerufen. Denn Deutschland ist mit 8.700 Unternehmen im Land nach Italien immerhin zweitgrößter Handelspartner Rumäniens. „Aber wenn sich in den Bereichen Korruption, Rechtsunsicherheit und Bürokratie nicht bald etwas tut, dann könnten viele dieser Investoren das Land verlassen“, warnt der botschaftliche Handelsbevollmächtigte Bernd Heinze.

Genau das aber kann sich Rumänien nicht leisten: Schon jetzt rangiert das mit 23 Millionen Einwohnern nach Polen größte Land Mittel- und Osteuropas am Tabellenende der Statistiken bei den Empfängern von Auslandsinvestitionen. Insgesamt sind nur sechs Milliarden US-Dollar seit der Wende ins Land geflossen – Hauptgrund für die schleppende wirtschaftliche Entwicklung.

Zwar hat die Regierung zuletzt im Februar ein neues Antikorruptionsprogramm verabschiedet. Beeindruckt hat es die wenigsten Menschen in einem Land, in dem der Durchschnittslohn bei 100 Euro liegt, für das Ergattern eines akademischen Jobs aber schon mal 10.000 Euro hingeblättert werden müssen. Die satirische Zeitschrift Academia Catavencu würdigte den Regierungsvorstoß mit dem Titel „Fabricat in Romafia“.

Druck machen jetzt auch die USA. Der Beitritt zur Nato könne davon abhängen, inwieweit Rumänien die Korruption bei Wirtschaft und Staat in den Griff bekomme. Die Drohung reißt in Rumänien alte Wunden auf: Schon einmal, im Juli 1997, wurde Rumänien vertröstet.

„Man darf die Korruption nicht als Einzelfaktor sehen“, sagt denn auch spitz die rumänische Ministerin für EU-Integration, Hildegard Puwak. Es gebe „erhebliche Fortschritte“, aber die vorige Regierung habe viele Reformvorhaben schlicht verschlafen. Insofern sei es „unfair“, Rumänien erneut den Beitritt zur Nato und möglicherweise gar zur EU zu verweigern, grämt sich im Voraus auch Ghiorghi Prisacaru, der dem Bukarester Senatsausschuss für Außenpolitik vorsitzt. „Vor allem Deutschland besteht zu sehr auf den wirtschaftlichen Kriterien“, klagt Prisacaru. Und fügt warnend hinzu: „Wenn Rumänien nicht sehr bald in Nato oder EU aufgenommen wird, dann ist der soziale Friede hier in Gefahr. Dann hat der Westen den Eisernen Vorhang durch den Vorhang des Geldes ersetzt.“

HEIKE HAARHOFF