Firmen für kostenlose Kinder

Viele Unternehmer wollen qualifizierte Mütter in der Firma halten. Doch für die Kinderbetreuung soll der Staat zahlen. Stoibers Familiengeld passt da nicht dazu

BERLIN taz ■ Das Bündnis von Arbeitgebern und CDU, das sich schon bei der Frage der Zuwanderung als brüchig erwies, hat einen weiteren Riss bekommen: Das Familiengeld, das die Union gerne einführen würde, wird von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) strikt abgelehnt. „Das Familiengeld ist ein antiquierter Ansatz, den man nicht weiter verfolgen sollte“, erklärte Carlotta Köster, bei der BDA zuständig für betriebliche Personalpolitik, frank und frei bei einem Fachgespräch der Grünen-Fraktion. „Der Ansatz von Bundeskanzler Schröder ist da doch der richtige“, lobte Köster die SPD. In Deutschland fehlten nun einmal Betreuungsplätze, die könne man mit dem Familiengeld nicht kaufen.

Wenn auch ungewöhnlich unionsfeindlich, so passt diese Ansicht doch nahtlos in die Vorstellung der Unternehmer, dass der Staat für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen habe – und nicht etwa die Arbeitgeber. Mit anderen Worten: Die Wirtschaft hat durchaus erkannt, dass es günstiger ist, hoch qualifizierte Arbeitskräfte nicht nach der Geburt eines Kindes zu verlieren. Zahlen soll dafür aber der Staat. Firmen seien lediglich zu einer Art Notfallbetreuung bereit, wenn die reguläre Kinderbetreuung ausfalle, berichteten gestern UnternehmensberaterInnen, die auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf spezialisiert sind.

Weiter gehende Angebote wie flexiblere Arbeitszeiten oder etwa vom Betrieb organisierte Tagesmütter würden nach wie vor nur von wenigen Unternehmen angeboten, erklärte Stefan Becker von „Beruf und Familie GmbH“, einer Tochter der Hertie-Stiftung. Für das Zertifikat, das die Stiftung an familienfreundliche Unternehmen verleihe, bewerben sich „immer wieder dieselben 20 Unternehmen“, so Becker. Viele Firmen seien schlecht informiert und glaubten, dass familienfreundliche Angebote vor allem teuer seien. Dabei würde so manche organisatorische Veränderung gar nichts kosten. Mehr noch, so rechnet Elena de Graat vom Forschungs- und Beratungsinstitut „work and life“ ihren Kunden immer wieder vor, Investitionen in Kinderbetreuung lohnten sich für Unternehmen. Etwa drei Viertel eines Jahresgehaltes koste es, bis eine neue Kraft im mittleren Management gefunden und eingearbeitet sei, wenn eine Frau aussteige. Anderthalb Jahresgehälter könnten es beim höheren Management werden. Da sei es oft um ein Vielfaches billiger, einen Zuschuss zur Kinderbetreuung zu zahlen oder einen Telearbeitsplatz einzurichten.

42 Prozent der Mütter steigen nach dem Erziehungsurlaub ganz aus dem Job aus, zitierte Anne Jenter vom DGB aus einer Studie der Bundesregierung. Viele von ihnen landeten auf 325-Euro-Jobs, die oft flexibler gestaltbar sind, so Jenter. Trotz des gesetzlichen Anspruchs auf einen Teilzeitarbeitsplatz würden viele Frauen und Männer diesen Anspruch nicht einfordern, erklärte Elke Birkheuser von der Beratung „pme Familienservice“. Man spüre als Arbeitnehmer schnell, ob die Stimmung in einem Unternehmen erlaube, etwa nach Teilzeit zu fragen. Für solche Unternehmen haben die BeraterInnen ein paar ganz und gar marktkonforme Warnungen auf Lager: Es wandern nämlich immer mehr Spitzenkräfte zu ausländischen Firmen ab, weil diese familienfreundlicher sind.

HEIDE OESTREICH