Mit vierzig kommt die Angst

Wer in mittleren Jahren einen festen Job hat, ist vor Kündigung besonders geschützt. Wer jedoch arbeitslos ist, stößt auf massive Vorurteile

von BARBARA DRIBBUSCH

Kurz nach ihrem 50.Geburtstag erhielt Maria G. eine Nachricht vom Arbeitsamt. Das Amt würde ab sofort die Hälfte der Lohnkosten übernehmen, hieß es, wenn G. irgendwo eine feste Stelle fände. „Hätte ich nie gedacht, dass ich mal zum Sonderangebot werde“, frotzelt die Berliner Sozialpädagogin, und das klingt nicht nur lustig.

Die Angst, aus Altersgründen abgemeiert zu sein und als Problemfall zu gelten, geht um bei vielen Jobsuchenden. Auch in jüngeren Jahren. „In manchen Berufen gelten schon Arbeitnehmer über 35 Jahre als alt“, sagt Werner Marquis, Sprecher des Landesarbeitsamtes Nordrhein-Westfalen. Der Aufstieg der neuen Ökonomie mit dem Hochjubeln der jungen „High Potentials“ hat diese Angst noch verschärft.

Der Umgang mit dem Alter ist jedoch entscheidend für den Jobmarkt der Zukunft. Denn die Erwerbsbevölkerung verändert sich. In der westdeutschen Erwerbsbevölkerung lag der Anteil der 40- bis 55-Jährigen im Jahre 1960 noch bei 26 Prozent, 2000 war er schon auf 36 Prozent gestiegen.

Dabei gibt es in Deutschland eine „Risikoschere“ zwischen älteren Jobbesitzern und Joblosen. Wer nämlich Arbeit hat, genießt im Alter einen stärkeren Kündigungsschutz und profitiert oft von tariflichen Regelungen, die lange Betriebszugehörigkeit und höheres Lebensalter honorieren. Wer jedoch jenseits der 45 seine Arbeit verliert und eine neue Stelle sucht, muss vielerorts mit Vorurteilen kämpfen und steht vor verschlossenen Türen.

„Noch bis heute wird in vielen Unternehmen davon ausgegangen, dass Ältere ab 45 Jahren an körperlichen und geistigen Fähigkeiten einbüßen“, resümieren Sozialforscher des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsbildung (IAB).

Die Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass „die Leistungsprobleme älterer Mitarbeiter“, nicht Folge eines „ ,natürlichen‘, altersbedingten Abbaus von Befähigungen“ seien, sondern die Folgen von „langzeitig ausgeführten Tätigkeiten, in denen es nichts zu lernen gibt, so dass über das Verlernen bereits erworbener Fähigkeiten hinausgehend sogar das Lernen verlernt wird.“ Im Klartext: Wer einen Routinejob macht und jahrzehntelang beibehält, wird unproduktiv. Wer sich aber immer neuen Aufgaben stellt, behält viel von seiner Kreativität.

In der amerikanischen Altersforschung ist man längst zu dem Schluss gekommen, dass die Bevölkerungsgruppe der Älteren nicht homogener, sondern heterogener ist als die der Jüngeren. Denn mit den Lebensjahren addieren sich Begabungsunterschiede, Arbeitserfahrung und Lebensstil zu sehr unterschiedlichen Persönlichkeitsprofilen. Fatal ist es deshalb, wenn Bewerber ab einem bestimmten Alter gar nicht mehr die Chance bekommen, sich auf einem Job zu bewähren.

Um die Einstiegsschwelle in den Arbeitsmarkt für Ältere abzusenken, ist in Nordrhein-Westfalen jetzt ein Modellversuch angelaufen. Große Zeitarbeitsfirmen haben sich verpflichtet, 15.000 Jobsuchende im Alter zwischen 50 und 55 Jahren lohnkostenbezuschusst zu beschäftigen und an Unternehmen auszuleihen. Mancher dieser Jobber, so die Idee, kann bei der ausleihenden Firma später fest einsteigen. Doch das Angebot der Leiharbeit empfinden viele Betroffene als zwiespältig.

Die 52-jährige Ulrike M. aus Witten in Nordrhein-Westfalen beispielsweise erhielt kürzlich Post vom Arbeitsamt: Die gelernte Bankkauffrau und studierte Kunsttherapeutin sollte ankreuzen, ob sie an einer Beschäftigung in einer Zeitarbeitsfirma „interessiert“ sei oder ob sie „nicht mehr an einer Vermittlung in Arbeit interessiert“ sei. „Damit setzt man die Leute unter Druck“, sagt Ulrike M. „Ich muss ja ankreuzen, dass ich einen Job in einer Zeitarbeitsfirma machen würde, sonst verliere ich meinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.“

Zeitarbeit ist schlecht bezahlt, die Jobbedingungen hart. Im mittleren Alter nochmal eine Arbeit zu machen, mit der man weniger verdient als früher, können sich viele Erwerbslose hierzulande jedoch nicht vorstellen. Und Wissenschaftler vom Kieler Weltwirtschaftsinstitut haben festgestellt, dass Arbeitslose oft erwarten, mit dem nächsten Job sogar mehr zu verdienen als früher – der Markt aber gibt das nicht her.

Bis zum Jahre 2015, so prophezeien Demographen, soll das Erwerbspersonenpotenzial so weit geschrumpft sein, dass die Wirtschaft sich den Älteren gegenüber aufgeschlossener zeigen muss. Immerhin. „Dann bin ich 63 Jahre alt“, scherzt Maria G., „ich muss also noch ein bisschen warten.“