Freiburg jetzt noch grüner

Zum ersten Mal erobert die Partei das Rathaus einer deutschen Großstadt: Dieter Salomon, bislang Fraktionschef im Landtag, kommt auf 64,4 Prozent

Selbst in ländlichen Stadtteilen holte Salomon mehr Stimmen als die CDU

aus Freiburg BERNWARD JANZING

Mit einem solchen Erfolg hatten selbst die größten Optimisten unter Freiburgs Grünen nicht gerechnet: Mit 64,4 Prozent der Stimmen wurde am Sonntag der grüne Fraktionsvorsitzende im Stuttgarter Landtag, Dieter Salomon, zum neuen Freiburger Oberbürgermeister gewählt.

Damit wird er der erste grüne OB einer deutschen Großstadt. Die Konkurrentin von der CDU, die Lörracher Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm, kam weit abgeschlagen auf 34,5 Prozent. Die Kandidaten der SPD und einer „Linken Liste“ waren nach dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen gar nicht mehr angetreten.

Anders als bei der Bürgermeisterwahl 1996 in Stuttgart, als der Grüne Rezzo Schlauch im zweiten Wahlgang knapp unterlag, hatte die SPD diesmal eine Wahlempfehlung für Salomon abgegeben. Dennoch war das Ergebnis in seiner Deutlichkeit überraschend. Denn fast komplett gingen die Stimmen der beiden zurückgetretenen Mitbewerber im zweiten Wahlgang an den grünen Kandidaten.

Salomon errang sogar mehr Zustimmung, als sie der langjährige SPD-Oberbürgermeister Rolf Böhme bei den Wahlen 1990 und 1998 bekommen hatte. Der Sozialdemokrat muss seinen Chefsessel im Rathaus der 200.000-Einwohner-Stadt aus Altersgründen abgeben.

Der 41-jährige Dieter Salomon – immer lächelnd und adrett, ein idealer Schwiegersohn – konnte selbst in ländlichen Stadtteilen mehr Stimmen holen als die Kandidatin der CDU. Seine besten Ergebnisse erzielte Salomon mit jeweils rund 75 Prozent im jungen Stadtteil Rieselfeld und im traditionell grünen Altbauviertel Wiehre.

Während Salomon bis zuletzt den Wahlkampf gelassen absolvierte, hatte seine Konkurrentin schon vor dem ersten Wahlgang Unsicherheiten gezeigt. Als sie öffentlich daran zweifelte, dass „ein grüner OB vom tief-tief-schwarzen Ministerpräsidenten Geld holen“ könne, hatte Salomon schon wertvolle Punkte gewonnen. Auch die SPD attestierte der Unionskandidatin ein „fragwürdiges Politikverständnis“. Und Landesvater Erwin Teufel distanzierte sich von der Unterstellung seiner Parteikollegin, er würde Gelder nach Parteibuch verteilen.

Als Dieter Salomon aus dem ersten Wahlgang vor zwei Wochen mit einem Vorsprung von 4,3 Prozentpunkten hervorging, setzte die CDU-Kandidatin zur Materialschlacht an und überschwemmte die südbacischeUniversitätsstadt mit 100.000 Faltblättern.

„Freiburg darf nicht grün abdriften“, war in dem Papier zu lesen. Heute-Bluhm unterstellte dem Gegenkandidaten „grüne Sprüche statt praktischer, erfolgreicher Kommunalpolitik“. Und sie prognostizierte „Stillstand in der Wirtschaft“ und eine „lähmende grüne Pause von acht Jahren“.

Den fairen Wahlkampf der ersten Runde hatte die CDU-Kandidatin damit aufgekündigt, und das kostete sie offensichtlich viele Stimmen. Salomon gab unterdessen die Parole aus: „Ich spüre innere Ruhe und versuche, keine Fehler zu machen.“

Diese Strategie ging offenbar auf. Für Polarisierung und Spaltung waren die Freiburger Wähler nicht zu haben. Zumal Heute-Bluhm bewiesen hatte, dass ihr zwei wesentliche Aspekte Freiburger Lebensart entgangen waren: Zum einen liebt man hier den Konsens – und spricht von einer „badischen Lösung“ wenn man einen Kompromiss meint. Da kommt Aufwiegeln gar nicht gut an.

Zum anderen zieht das Klischee von den grünen Wirtschaftsfeinden in Freiburg einfach nicht mehr, weil es schlichtweg die Fakten ignoriert. Ein Blick in die Statistik hätte der CDU-Frau Warnung sein müssen: Über 450 Firmen in Freiburg und Umland setzen heute mit mehr als 10.000 Beschäftigten im Bereich Umwelt und Energie weit über 1 Milliarde Euro jährlich um.

Viele Freiburger sahen daher in der Polemik geradezu einen Affront. Dagegen sprach der Wahlslogan des siegreichen Dieter Salomon einfach das Herz der Wähler an: „Damit unser Freiburg anders bleibt.“